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Bio-Chip findet Krankheitskeime

Physiker der Universität Bielefeld revolutionieren die Medizindiagnostik

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Ein Labor für die Handtasche sowie ein Mini-U-Boot, das durch die Adern schwimmt und Krebsherde aufsucht: An diesen wegweisenden Projekten arbeiten Physiker der Universität Bielefeld.

Mit mehr als zwei Millionen Euro finanzieren das Bundesforschungsministerium und die Volkswagen-Stiftung in den kommenden drei Jahren experimentalphysikalische Projekte der Universität. Insgesamt fließen zwölf Millionen in diese Verbundforschungen, an denen auch Unternehmen und andere Hochschulen beteiligt sind. Angesiedelt sind die Projekte an den Schnittstellen von Physik, Nanotechnologie und Lebenswissenschaften, ihre Anwendung ist denkbar in Diagnostik und Therapieverfahren.
Ein Beispiel dafür ist »NanoIsolate«, ein Projekt, das Professor Dr. Günter Reiss mit dem Klinikum Hamburg Eppendorf und einem Unternehmen verfolgt. Ziel ist, magnetische Nanopartikel als Kleinst-U-Boote einzusetzen. Sie sollen zum Beispiel Tumorstoffwechselprodukte aus dem Blut fischen und zugleich Medikamente zielgenau transportieren und freisetzen. Gesteuert werden sie von außen - magnetisch.
Professor Dr. Andreas Hütten arbeitet mit sieben Unternehmen daran, die Vision eines handlichen Labors zu verwirklichen. »Es soll 80 Viruserkrankungen - wie Grippe, Hepatitis oder Vogelgrippe - in Minutenschnelle identifizieren«, erklärt er. Ein Tropfen Blut genügt. »So kann zum Beispiel auch der Bauer in Harsewinkel schnell feststellen, ob eine Sau Schweinepest hat oder nicht.« Ebenso kann sich der Physiker vorstellen, mittels dieses Labor-Handys im Restaurant zu testen, ob in einer Speise wirklich keine Erdnuss-Spuren sind, auf die man allergisch reagiert. »In drei Jahren werden wir den Prototyp haben.«
Dritter im Bunde der beteiligten Nano-Physiker ist Professor Dr. Armin Gölzhäuser, der hauchdünne Folien (ihre Dicke entspricht dem Zehntausendstel eines Haares) und Bio-Chips herstellt. Das Wirkprinzip der Chips: Sie werden mit biologisch aktiven Molekülen versehen, die auf Krankheitserreger reagieren und sie so identifizieren. »Bislang werden sie durch Eintauchen in Flüssigkeit hergestellt. Das Problem dabei: Die Chips sind oft verunreinigt.« Eine 1,5 Millionen Euro teure, selbst konzipierte Anlage in den Uni-Katakomben erlaubt nun, sie unter Vakuum zu produzieren. Die Moleküle schlagen sich darin wie Wasserdampf auf dem Chip nieder - ein Verfahren, das sich auch zur Beschichtung von Solarzellen oder bei Leuchtdioden einsetzen lässt und zugleich zuverlässiger und billiger als das herkömmliche ist.
Dass die Universität Bielefeld in der Nano-Forschung bundesweit eine Spitzenposition einnimmt, führt Physik-Dekan Reiss auch auf die Berufungspolitik zurück, die neue Schwerpunkte erschlossen hat und nun Früchte trägt. »Die Bielefelder Nanowissenschaftler sind überall dabei.« Profitieren sollen davon ausdrücklich auch kleine und mittelständische Unternehmen der Region: Ihnen bieten die Physiker unbürokratische Zusammenarbeit und »Entwicklungshilfe« an.

Artikel vom 15.02.2007