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Clais von Mirbach

»Noch-Mitglieder der RAF betreiben Selbstdarstellung, ohne dass sie in Schranken verwieen werden.«

leitartikel
Mohnhaupt kommt frei

Die RAF jetzt
bloß nicht
verklären


Von Reinhard Brockmann
Keine Frage, Gerhart Baum hat Recht: »Es ist keine besondere Gunst für Frau Mohnhaupt, sondern sie wird nach Recht und Gesetz behandelt.«
Ob Kinderschänder oder Mafia-Killer, auch die Genickschusstäter und eiskalten Polizistenmörder aus der linken Terror-Szene wurden stets nur als Straftäter, nie als politische Aktivisten nach deutschem Recht und Gesetz zur Verantwortung gezogen. Auch deshalb darf ihnen nach einem Vierteljahrhundert Haft nicht die späte Genugtuung politischer Sonderbehandlung widerfahren. Die selbsternannte Rote Armee Fraktion war keine militärische, quasi-eigenstaatliche Organisation mit Kombatantenstatus, sondern schlicht die radikalisierte und furchtbar missratene Fehlentwicklung eines zunächst breiten politischen Ansatzes, der 1968 die Gesellschaft modernisieren und emanzipieren wollte.
Das ging gründlich schief: erst Kaufhaus-Brandstiftung, später Hinrichtungen. Anfangs war von der Baader-Meinhof-»Gruppe« die Rede, die treffendere Umdeutung in »Bande«, führte seinerzeit zu hitzigen Debatten. Deren »Bekennerschreiben« wurden in diesem Land von einem nicht geringen Teil der Gesellschaft als diskussionswerter Stoff betrachtet.
An all diese verschobenen Wertmaßstäbe muss dringend erinnert werden. Denn mit der Freilassung von Brigitte Mohnhaupt und der absehbaren Begnadigung ihres Komplizen Christian Klar kann sich das heutige Deutschland auf ein intellektuelles Wiedersehen mit der zweiten Generation der RAF gefasst machen.
Der Sohn des 1975 in Stockholm ermordeten deutschen Botschafters Andreas von Mirbach warnt vor Selbstverklärung und Verharmlosung. Er spricht, nicht ohne Grund vor einer Aura der Nachsicht und des Verständnisses gegenüber entlassenen RAF-Promis. Der Mörder seines Vaters, Karl-Heinz Dellwo, hält heute Vorträge über »politischen Widerstand in der Nachkriegszeit«. Dessen Meinung zu Hartz IV und sozialen Fragen findet Gehör.
Auch das muss klar sein. Frau Mohnhaupt soll nach einem verpfuschten Leben die Chance zum Neuanfang haben, genau wie sie Magnus Gäfgen, Mörder des kleinen Philipp von Metzler, eines fernen Tages erhoffen darf.
Nein es geht darum, wie wir der bevorstehenden RAF-Nostalgie begegnen. Rechtsradikalen Tätern traut man auch nach Jahrzehnten nicht. Deren Symbole und Worthülsen finden gottlob fast nie den Weg in Massenmedien, Talk-Shows und die Dispute aufgeklärter und blitzgescheiter Köpfe in öffentlichen Debatten.
Beispiele für linksgewickeltes Schwärmertum gab es gleich gestern von einer leibhaftigen Bundestagsabgeordneten: Nun müssten auch die übrigen drei ehemaligen RAF-Mitglieder Christian Klar, Eva-Sybille Haule und Birgit Hogefeld frei kommen, sagte die innenpolitische Sprecherin der Ex-SED/PDS/Linke Ulla Jelpke. Es sei heuchlerisch, die ehemaligen RAF-Mitglieder als »gewöhnliche Verbrecher« zu bezeichnen. Und schon nahm die Legende ihren Lauf.

Artikel vom 13.02.2007