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Juchzer auf Armins's Bauernshof
Der beliebte Sprachpfleger Bastian Sick gastiert in der Oetkerhalle und gibt eine Udo-Jürgens-CD heraus
Im Zeugnis hatte der Lübecker Gymnasiast immer eine Eins. »Und ich hab schon damals gerne Theater gespielt.« Diese Kombination ist Gold wert, denn Bastian Sick, der befürchtet, dass irgendwann mal der Dativ dem Genitiv sein Tod sein wird, hüpft so unterhaltsam und kurzweilig durch den Irrgarten der deutschen Sprache, dass ihm das Publikum bereitwillig zwei, auch drei Stunden lang folgt.
Zu Beginn der Show begrüßt Stewardess Elke die Zuhörer »an Bord der Boing ÝKonrad DudenÜ auf dem Rückflug von Syntax nach Deutschland.« Und am Ende singt der Bastian. Falls Sie also damals Peter Alexanders »Spezialitäten«-Show verpasst haben (wissen Sie, die im Fernsehen, wo der Peter mit der Mireille Mathieu »Hassan, den Hofhund« besang), dann schließt Bastian Sick jetzt diese Bildungslücke und trällert das Duett im Alleingang. Très charmant, würde der Spatz von Avignon wohl zwitschern.
Seit Oktober ist der Wahlhamburger mit seinen »Zwiebelfischen« auf Deutschlandtour, aber bevor wir ihn am 29. März in die Bielefelder Oetkerhalle lassen, wollen wir erst mal hören, was er über uns Ostwestfalen zu sagen hat. Nur Positives, beeilt sich Bastian Sick zu sagen: »Ihr sprecht das klarste ÝIÜ in ganz Deutschland.« Nicht etwa als Diphthong wie in der Kiarche, also im Gotteshaus von Gelsenkiarchen. Und auch nicht als als Umlaut, wie in der niedersächsischen Körche.
Dieses Lob geht runter wie Öl. Es heißt tatsächlich runter und nicht 'runter, 'rauf, 'ran und 'rein - wenn den deutschen Schreiberling die Häkchen-Krankheit packt, kriegt Bastian Sick unweigerlich Pickel. Gut, diesen Fehler machen Sie ab heute nie wieder, aber der Sprachpfleger mit Entertainer-Qualitäten wird auch die Ostwestfalen nicht ohne Aha-Erlebnis nach Hause schicken.
Beispiel gefällig? Bitte sehr: Wie erscheint eine Zeitung, die alle 14 Tage im Briefkasten liegt? 14-tägig? Oder 14-täglich? An dieser Stelle wird die Lösung nicht verraten, denn wir wollen ja das Testergebnis für Bielefeld nicht verfälschen.
»Zwar war ich noch nie in der Oetkerhalle, aber ich freue mich auf das Gastspiel am Teuto, denn hier besuche ich regelmäßig gute Freunde«, erzählt Bastian Sick, was uns hoffen lässt, er möge uns sprachlich nicht allzu hart rannehmen. Ganz sicher wird er in der Show ein paar lokale Bezüge herstellen. Kultur und Sport bieten sich an, aber ins Bauernhaus Museum würde Bastian Sick niemals einen Fuß setzen, ins Bauernhaus-Museum hingegen sehr gerne. Und kein Kantersieg der Arminia könnte ihn je in die SchücoArena locken, sehr wohl aber ein schönes Angriffsspiel in die Schüco-Arena.
»Ich staune immer wieder über den unbekümmerten Mut, mit dem manche Leute riesige Hinweisschilder aufstellen, ohne zuvor einen Sprachexperten befragt zu haben«, klagt Bastian Sick. Ja, der Deutsche leidet an der Bindestrichitis: In der SchücoArena, in der es, ebensowenig wie im gesamten deutschen Sprachraum eine Binnenkapitale (einen Großbuchstaben mitten im Wort) gibt, fehlt das obligatorische Strichlein. Im Vereins-Leben hingegen, in der Gesundheits-Reform, ja sogar im Zeitungs-Inserat macht es sich breit, obwohl doch der Mensch nicht scheiden soll, was das Fugen-S zusammengefügt hat.
Sogar der Meister selbst fiel der Bindestrichitis zum Opfer: »Ich habe mich mit Händen und Füßen gegen das Tourneeplakat gewehrt, auf dem ÝDie große Bastian Sick ShowÜ angekündigt wird, aber mein Manager ließ sich nicht erweichen, die beiden vorgeschriebenen Striche einzufügen.« Über solche Unbill des Lebens hilft sich Bastian Sick, dem nie einfallen würde, mit Feuer und Schwert über die Schreibunkundigen zu kommen, mit Toleranz hinweg: »Meistens moniere ich gar keine Fehler mehr, sondern spreche nur noch von Abweichungen.«
In den Genuss dieser verständnisvollen Huld kommen allerdings eher die deutschen Dialekte, die abseits der Standardsprache gedeihen. Die Friseuse aus dem Frankenland, die in ihrer schriftlichen Prüfung den »Begaxel« unterbrachte, wäre auch von Bastian Sick freigesprochen worden. Begaxel? Nun, nördlich des Weißwurstäquators wird das als »Bäckergeselle« buchstabiert . . .
»Ich habe mir den großen Erfolg meiner ÝZwiebelfischÜ-Kolumne niemals vorstellen können«, gibt Bastian Sick freimütig zu. Um so lieber badet er nun in den Juchzern seiner Zuhörer, die besser unterhalten werden als bei manchem Comedian. Doch er ahnt, dass in einem Land, dessen Volkshochschulen eine Lehrer Fortbildung zu Neonazis ankündigen, ein Land, in dem Deftiges von Armins's Bauernshof feilgeboten wird, und historisch Interessierte eine Biographie des römischen Feldherrn Eberhard Horst Caesar kaufen können, die Fehlerquellen wohl niemals versiegen.
Hören denn wenigstens die »Spiegel«-Redakteure auf ihn? Da umwölkt sich die Stirn der Frohnatur, und sie (die Frohnatur, nicht die Stirn) seufzt: »Ich glaube, die schreibenden Heroen des Magazins können es nicht verwinden, dass ausgerechnet ein Kollege vom belächelten elektronischen Ableger ÝSpiegel onlineÜ so prominent ist.«
Also auf in hellere Gefilde. Wieviele Scheiben von Udo Jürgens stehen in Ihrem Plattenschrank, Herr Sick? Da lächelt er wieder und breitet weit die Arme aus. Meterweise Vinyl, soll das heißen, und gewiss 50 CDs obendrein.
Kaum zu glauben, aber der sympathische Sprachpapst nennt den Sänger des »Ehrenwerten Hauses« als Vorbild. Udo Jürgens als seichten Schlagerfuzzi abzutun, sei unfair. Um die ungläubigen Thomasse im Land zu überzeugen, hat er die CD »Lieder voller Poesie« mit seinen 15 Favoriten und vier nie zuvor veröffentlichten Stücken herausgebracht (aus Zürich, Udos Wohnort, wurde wohlwollendes Nicken gemeldet). Im Booklet kommentiert er die Texte.
»Wäre ich Deutschlehrer, würde ich Udos Lieder im Unterricht einsetzen.« Dorthin haben es Bastian Sicks Bücher längst geschafft - jedenfalls in saarländischen Schulen. Matthias   Meyer zur Heyde

Artikel vom 24.02.2007