12.02.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

EU-Vizepräsidentin in der Klasse

Mechthild Rothe diskutiert mit Schülern des Städtischen Gymnasiums

Gütersloh (cu). Wie wird Europa im Jahre 2020 aussehen? Kann die EU es sich leisten, weiterhin wirtschaftlich schwächeren Staaten die Mitgliedschaft anzubieten? Darüber diskutierten 60 Schüler des Städtischen Gymnasiums mit Mechthild Rothe, der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments.

Bereits zum zweiten Mal war die Europa-Abgeordnete aus Bad Lippspringe in der Gütersloher Schule zu Gast. »Sie verleihen Europa ein Gesicht«, erklärte der stellvertretende Schulleiter Ernst Volland während der offiziellen Begrüßung von Rothe. »Durch Ihre Ausführungen können die Schüler und Schülerinnen einen Praxisbezug zu Europa herstellen.«
Nach einer kurzen Einführung durch Kurslehrerin Annika Wehmeier und einer Power-Point-Präsentation eröffnete der Schüler Alexander Witt die Diskussion: »Wie sieht Europa im Jahre 2020 aus?«, wollte er von der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments wissen. Rothe betonte zuerst einmal, dass es keine Alternative zur Europäischen Union gebe: »Alleine zu bleiben ist falsch - bei den heutigen Wirtschafts- und Umweltproblemen ist es notwendig, dass sich die Staaten zusammensetzen, um Lösungen zu erarbeiten.« Sie sieht die Europäische Union auch nicht als bürokratischen Koloss, sondern nur als eine weitere politische Ebene, die eine Chance für alle Menschen in Europa darstellt.
Für 2020 hofft Rothe auf den »Gleichklang von Wirtschaftlichem und Sozialem.« Jeder Europäer solle sich dann in jedem Mitgliedsstaat der EU auf bestimmte Grundsätze berufen können. Dazu zählt sie unter anderem das Recht auf Altersvorsorge, aber auch das Recht auf Urlaub. »Es gilt, dieses Sozialmodell zu verteidigen und weiter durchzusetzen«, erklärte sie den Schülern der Stufen neun bis dreizehn.
Weiterhin hofft sie, dass die EU bis zum Jahr 2020 endlich strikte Richtlinien für den CO2-Austausch vorgibt, um den Klimawandel zu verlangsamen. »In 13 Jahren muss die EU mehr regenerative Energiequellen nutzen. Außerdem muss der Energieverbrauch innerhalb der Gemeinschaft um zwanzig Prozent reduziert werden, um ein Vorbild für Staaten wie Indien und China zu sein.«
Zur Türkeifrage und einer weiteren EU-Erweiterung äußerte sich Rothe folgendermaßen: »In 15 Jahren wird die Türkei ein Mitglied der Gemeinschaft sein.« So könne man auch eine Brücke zu den muslimischen Staaten bauen. Vorerst müsse jedoch die Zypernfrage geklärt werden, denn laut Rothe ist es nicht denkbar, dass ein Mitgliedsland der EU von einem Beitrittsland nicht anerkannt wird. Des Weiteren glaubt sie, dass sich einige Balkanländer wie Kroatien oder Mazedonien der EU anschließen werden. »Das werden dann auch die letzten sein«, erklärte sie den Schülern.
Auf die Frage nach der gemeinschaftlichen Verfassung für alle 27 Mitgliedsstaaten äußerte sich die Europa-Abgeordnete zum Abschluss der Diskussionsrunde zuversichtlich: »Während der deutschen Präsidentschaft sondieren die Beteiligten, wo man Kompromisse in der Verfassung machen kann.« Wenn die Veränderungen in der Vorlage dann nicht zu groß seien, geht sie davon aus, dass eine Ratifizierung der Verfassung auch in Frankreich und den Niederlanden möglich sei. »Es muss ein neuer Stein ins Wasser geworfen werden«, gab sie den Schülern am Ende mit auf den Weg.

Artikel vom 12.02.2007