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Eine Firma
mit eigener
Krabbelgruppe

Familienfreundlichkeit bei Syskoplan

Von Stephan Rechlin
Gütersloh (WB). Es gibt familienfreundliche Unternehmen, doch ihr Kreis ist erlesen. August Stork und Nordenia aus Halle gehören dazu, August Oetker und Walter Seidensticker aus Bielefeld, das Ingenieurbüro Kranz aus Oelde. Der »Navigator familienfreundliche Arbeitswelt« der Bertelsmann Stiftung listet auch ein Gütersloher Unternehmen auf - die Syskoplan AG.

Personalchefin Dr. Susanne Schweidtmann freut sich über die Auszeichnung - und relativiert sie im nächsten Atemzug: »Wir sind in erster Linie kundenorientiert. Wenn sich das mit Familienfreundlichkeit vereinbaren lässt, haben wir nichts dagegen.« Das Kerngeschäft der rund 400 Mitarbeiter ist Beratung. Wenn die Allianz, die Commerzbank, Audi, Volkswagen, die Telekom, Siemens oder die Deutsche Post AG spezielle Software-Lösungen auf Basis ihrer SAP- oder Microsoft-Programme brauchen, fahren Syskoplan-Angestellte in die Konzernzentralen, erörtern, entwickeln und installieren das gewünschte Programm. Der Einsatzort kann nah an der eigenen Haustür liegen oder am anderen Ende der Republik. Ob in der Familie jemand einen Husten habe oder nicht - die Arbeit beim Kunden genieße höchste Priorität: »Er zahlt letzten Endes das Gehalt,« sagt Schweidtmann.
Für die Projektarbeit beim Kunden gibt es keine Stechuhr und keine Zeiterfassung. Neue Anwendungen werden häufig an Wochenenden installiert, in solch einer »kritischen Phase« muss ein Mitarbeiter rund um die Uhr erreichbar sein. Dagegen kann unter der Woche schon mal Leerlauf auftreten. »Wir gehen von durchschnittlich 1700 Stunden pro Jahr aus, die in Projektarbeit zu investieren sind,« erläutert Schweidtmann. Wie und wann diese Stunden geleistet werden, bleibt der Absprache zwischen Berater und Kunden überlassen. Falls Papa oder Mama also mal an einem Freitag, Montag oder Mittwoch dringend zu Hause gebraucht werden, können die Berater das mit ihrem Auftraggeber absprechen und über das Stundenkontingent mit ihrem Arbeitgeber abrechnen. So sind auch mal Ausflüge über ein verlängertes Wochenende drin. Falls es der Auftrag zulässt, darf er auch am eigenen PC in den eigenen vier Wänden erledigt werden. »In die Rechnung fließen aber nur die produktiven, für den Kunden verbrachten Stunden ein, nicht aber administrative Arbeit im Büro,« sagt Schweidtmann.
Zu jedem neuen Jahr wird das Stundenkonto auf Null gestellt. Sollte es dann noch Überstunden geben, werden sie ausbezahlt - und versteuert. Zum flexiblen Jahresstundenkonto bietet Syskoplan seinen Mitarbeitern noch die Möglichkeit, ein halbes Jahr lang auszusteigen. Dazu müssen sie über zweieinhalb Jahre ein Sechstel ihres Gehaltes zurücklegen. Wenn sie dann sechs Monate lang zu Hause bleiben - nach einer Geburt, für einen Hausbau oder eine längere Reise - werden sie weiterhin voll bezahlt. Die Auszeiten (»Sabbaticals«) können aber nur alle fünf Jahre genommen werden. »Zwei bis drei Mitarbeiter haben die Möglichkeit bereits genutzt. Länger als ein halbes Jahr sollten sie nicht raus bleiben, weil sich in der Softwarebranche-, in dieser Zeit sehr viel tut,« sagt Schweidtmann.
Von diesen Regelungen unabhängig werden Mutterschaft und Elternzeit organisiert. Teilzeitarbeit gibt es nicht im Beratungsgeschäft. Wer in den ersten Jahren nach der Geburt eines Kindes nur noch vormittags arbeiten möchte, dem wird eine Aufgabe in der Gütersloher Zentrale verschafft. Ein, zwei Jahre, Systementwicklung und -pflege am Bartholomäusweg, dann geht es zurück ins Beratungsgeschäft: »So werden diese Arbeitsplätze für die nächsten Anwärter frei,« erläutert Schweidtmann.
Ob Stundenkonto oder Auszeit - die familienfreundlichen Arbeitszeitangebote bei Syskoplan funktionieren ausschließlich auf Vertrauensbasis. Dieses Vertrauen wird mit Eintritt in die Firma Schritt für Schritt erarbeitet. Jedem neuen Mitarbeiter wird ein »Pate« zur Seite gestellt, ein erfahrener Kollege, der Fragen zu Projekten, Methoden, Techniken und Fettnäpfchen beantwortet. Sind wieder genug neue Mitarbeiter zusammen, geht es zusammen mit Personalchefin Schweidtmann, Vorstandsmitglied Dr. Manfred Wassel und anderen Führungskräften in die Berge oder aufs Segelschiff. Die Wochenend-Ausflüge mit den Neuen tragen bei Syskoplan einen familienfreundlichen Namen: »Krabbelgruppe.«

Artikel vom 12.02.2007