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Drei Mal München und wieder zurück

Paderbornerin kämpft für ihren Traumberuf

Von Raphael Hermelingmeier(Text)
und Sabrina Beck (Foto)
Paderborn (WV). Jessica Schlieper hat einen langen Schulweg: 550 Kilometer sind es von Paderborn nach München, wo die 23-jährige Auszubildende die Berufsschule besucht.

Jessica Schlieper absolviert eine Ausbildung zur Malerin und Lackiererin bei der Ahle GmbH in Paderborn. Eine neue Ausbildungsverordnung in diesem Handwerk sieht für zwei Jahre eine allgemeine Maler und Lackiererausbildung und im dritten Lehrjahr eine Fachspezialisierung vor Ñ eine formelle Richtlinie, die sich im Fall von Jessica als schwierig erwies.
Nahezu alle der jährlich 30 000 Maler und Lackierer-Lehrlinge in Deutschland entscheiden sich für den Schwerpunkt »Gestaltung und Instandhaltung«. Lediglich zehn begeistern sich für »Bauten- und Korrosionsschutz« und nur fünf für »Kirchenmalerei und Denkmalpflege«. Eine von diesen fünf ist Jessica Schlieper. Die 23-Jährige hat zuvor bereits eine dreijährige Ausbildung zur Denkmaltechnischen Assistentin (DTA) in Soest erfolgreich abgeschlossen.
Um ihren Traumberuf zu verwirklichen, muss die gebürtige Wadenloherin (Kreis Warendorf) mehrmals zur Berufsschule nach München und und zur überbetrieblichen Ausbildung nach Augsburg. »In ganz Nordrhein Westfalen gibt es keine Schule, die Kirchenmalerei und Denkmalpflege unterrichtet«, schildert sie das Problem.
Da sie sich noch kein Auto leisten kann, fährt Jessica Schlieper mit dem Zug. »Die Fahrt nach Augsburg und zurück kostet abzüglich aller Rabatte der Bahn noch immer mehr als 200 Euro«, bedauert sie. Die Lehrgangskosten für Augsburg übernimmt der Staat, doch die horrenden Fahrt- und Unterbringungskosten für die Schulung und den Blockunterricht in Süddeutschland muss die Auszubildende aus eigener Tasche zahlen. Eigentlich stehen ihr EU-Zuschüsse zu, doch die dürfen weder sie selbst noch die Ahle GmbH selbständig beantragen. »Die Schule müsste diese Gelder von der Handwerkskammer in Arnsberg anfordern«, erläutert Ausbildungsleiter Dietmar Ahle. »Leider scheint die Institution das Problem schlicht auszusitzen.«
Ein Mitarbeiter der Bielefelder Handwerkskammer bestätigte Jessica Schlieper ihr Anrecht auf die Unterstützung, »doch es sei ja nicht verwunderlich, wenn bei einem solch exotischen Beruf nicht alles glatt liefe«, so der Beamte. Kommentare wie dieser ärgern sowohl Jessica als auch ihren Ausbilder. »Dadurch werden auch andere Handwerksmeister abgeschreckt, in diesem Beruf auszubilden«, kritisiert Dietmar Ahle, der in seinem Betrieb 34 Mitarbeiter beschäftigt, davon acht Lehrlinge.
Wenn Jessica Schlieper im Juli diesen Jahres ihre Gesellenprüfung erfolgreich abgelegt hat, blickt sie in eine Erfolg versprechende Zukunft. Die Auftragslage ist sehr gut, sie wird von der Ahle GmbH übernommen. Trotz der vielen Hindernisse bereut die junge Frau ihre Berufsentscheidung nicht. »Etwas Altes für die Nachwelt zu erhalten, ist ein tolles Gefühl«, schwärmt sie. Und im Kreis Paderborn gibt es ja nun wirklich genug Erhaltenswertes. Dafür muss man dann keine 550 Kilometer mehr bis nach München fahren.

Artikel vom 09.02.2007