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Waltke registriert Handball-Euphorie

Horst Bredemeier wird WM-Überschussgelder sinnvoll an die Schulen weiterleiten

Von Volker Krusche
Altkreis Lübbecke (WB). Ganze drei Minuten spielte Dieter Waltke bei der Weltmeisterschaft 1978 in Dänemark - doch diese 180 Sekunden machten ihn berühmt. Seitdem wird er gemeinhin als Joker bezeichnet.

Joker des WM-Finals, in das der Hiller beim Stand von 13:12 gegen die Sowjetunion von Vlado Stenzel geschickt worden war. Ein kluger Schachzug des »Magiers«, denn »Jimmy« entschied auf Linksaußen mit drei Toren in Folge zum vorentscheidenden 16:12 das Endspiel in Kopenhagen fast im Alleingang.
Seit diesem Tag, seit jenem 5. Februar sind 29 Jahre vergangen. Und seit Sonntag sind sie abgelöst, die legendären 78er-Weltmeister. Sie alle waren in der Köln-Arena dabei, als ihre Nachfolger in Deutschland eine Handball-Manie auslösten. Auch für Waltke war dies ein unbeschreibliches Erlebnis. Aber wie kaum ein anderer kann der inzwischen 53-Jährige, dessen Markenzeichen seine wilde Haarpracht und sein - das hat er mit Heiner Brand gemein - Schnäuzer waren, einschätzen, was dieser Erfolg und die derzeit in Deutschland herrschende Euphorie für die Basis, spricht die Vereine und Schulen, bedeuten kann. Dieter Waltke ist nämlich seit mehr als 25 Jahren als Lehrer für Sport und Geschichte am Espelkamper Söderblom-Gymnasium tätig, weiß also genau, wo der Handball möglicherweise noch Nachholbedarf besitzt.
Schließlich hat Ulrich Strombach, der Präsident des Deutschen Handball-Bundes, bei einer Pressekonferenz am Finaltag noch einmal das Vorhaben des Verbandes unterstrichen, mit den Überschüssen aus der WM den Nachwuchs-Handball, insbesondere den an den Schulen, zu unterstützen. Die derzeitige Stimmung soll dem Handball in Deutschland mit den geplanten Maßnahmen einen bislang einmaligen Schub verleihen.
Wie könnte eine Hilfe an der Basis aussehen? Waltke: »Für den Wettbewerb Jugend trainiert für Olympia ist die Bereitstellung von Geldern zur Deckung von Fahrtkosten in den letzten zehn, 15 Jahren klar rückläufig gewesen. Hier würde eine Unterstützung gut tun, um den Wettbewerb wieder aufzuwerten.«
Dieter Waltke könnte sich aber auch vorstellen, dass durch entsprechende Mittel die Handball-AGs gestärkt würden. »Der DHB oder seine Landesverbände sorgen für entsprechendes Knowhow durch qualifizierte Kräfte. Zudem müssten durch sie Kooperationen mit Schulen vorangetrieben werden.« Aber auch die Ausbildung von Lehrern wäre sinnvoll. »Handball ist eine sehr viel komplexere Sportart als Fußball. Und nicht jede Schule verfügt über Lehrer, die auch Handball-Fachleute sind.«
Der in seiner Karriere neben dem TV Hille auch für beide heimischen Bundesligisten aufgelaufene 76-fache Nationalspieler hat in seiner Schule auf jeden Fall eine große Begeisterung ausgemacht. »Nach dem Finale kamen Schüler spontan zu mir und wollten Handball spielen. Früher war es eher so, dass ihnen Handball verordnet wurde, weil es der Lehrplan so vorsah.«
Natürlich werde man dieser Nachfrage nachkommen. »Wir wären doch schön dumm, wenn wir gegen den Trend arbeiten würden. Alles was im Sport positiv rüber kommt, muss man aufgreifen.«
Der Joker der WM 1978 ist längst noch nicht in Vergessenheit geraten. Das beweist ein kürzlicher Griff in seinen Schrank im Lehrerzimmer. »Da hatte jemand an die Schule geschrieben und mich gebeten, ihm ein Autogramm zu schicken.«
Waltkes Hoffnungen und die seiner Kollegen von den anderen Schulen im Altkreis Lübbecke ruhen nun auf dem Deutschen Handball-Bund. Und für den wird Horst Bredemeier (Vizepräsident Leistungssport) - nach einer Präsidiums-Entscheidung am Mittwoch zuständig für den Einsatz der aus dem wirtschaftlichen WM-Überschuss für den Schulsport verwendeten Gelder - nun versuchen, eine sinnvolle Förderung sicherzustellen. Bredemeier stellt fest: »Wir haben ja schon vor der WM eine Broschüre âSpielen mit Hand und BallĂ• aufgelegt und die Schulen damit versorgt. Die Förderung wird aber nicht so aussehen, dass wir Bälle oder Trikots verteilen. Vielmehr gilt es, Inhalte zu formulieren und zu vermitteln, wobei wir allerdings auf eine gute Zusammenarbeit mit den Kultusministerien angewiesen sind.« Fortbildungen für Lehrer, wie jetzt gefordert, habe es für den Handball schon immer gegeben. »Sie wurden nur nicht wahrgenommen, da sich viele Sportlehrer eher für individuelle Sportarten einsetzten. Solche Sachen hängen immer stark mit den Interessen des Lehrers zusammen. Vielleicht schaffen wir es ja jetzt. Mit dem Schub der Weltmeisterschaft müssen wir die Jugend an der Basis jedenfalls für unseren Handball begeistern.«

Artikel vom 09.02.2007