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Wenn Mädchen nicht weit werfen

Jungs lernen Seilchen springen - Bewegungsabläufe neu »programmiert«

Von Monika Schönfeld
(Text und Foto)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Bewegungsabläufe werden im Kopf programmiert. Wenn ein Mädchen nicht weit werfen kann und ein Junge mit dem Seilchen springen Probleme hat, hat das nichts mit Nicht-Können zu tun. Vielmehr mit der genetischen oder ungünstig antrainierten Programmierung, die aber mit Übung umprogrammiert werden kann.

Das sagen Petra Giesel und Simone Uetermeier, Übungsleiterinnen der Turngemeinschaft (TG) Sende, die qualifiziert sind für die Prävention für Kinder mit mangelnder Bewegungserfahrung. Die Qualifikation wird dieses Jahr aufgefrischt (»Stressbewältigung bei Kindern«). Die 13 Übungsleiter der TG Sende treffen sich regelmäßig, um Informationen auch aus Fortbildungen weiter zu geben.
Die Übungsleiter erklären Kindern, dass sie auch nicht von einem Tag auf den anderen laufen gelernt haben. Hochziehen, stehen, fallen, wieder aufstehen und wieder fallen, bis der Ablauf im Kopf programmiert ist. Das ist bei Jungen nicht anders als bei Mädchen. Bei manchen Bewegungen macht sich aber die geschlechtsspezifische Aufgabenteilung bemerkbar. Das WESTFALEN-BLATT fragte nach.
Werfen: Wenn Kinder noch keine Ballerfahrung haben, sieht man oft, dass Mädchen mit hängender Schulter und aus dem Unterarm werfen. Jungen werfen aus Arm und Schulter, wie dereinst den Speer bei der Jagd.
Fangen: Die Frau fängt den Ball zum Körper hin, nimmt eine beschützende Haltung ein. Männer packen weit vor dem Körper zu, wehren in schneller Reaktion ab.
Seilspringen: Das Handgelenk bleibt an der Hüfte, erst später kommt der Unterarm dazu. Männer sind auf größere Bewegungen geeicht.
Koordination: Zum Beispiel beim Hampelmann. Frauen benutzen eher beide Gehirnhälften und schaffen gegenläufige Bewegungen problemloser. Kreuzbewegungen, alles, was über die Körpermitte geht, braucht beide Gehirnhälften. Eine Geschichte, die bei Kindern gut ankommt: Auf der einen Seite des Gehirns leben Banker, die nur an Zahlen, nicht an Spaß denken. Auf der anderen Seite leben die, die dauernd eine Fete feiern. Trifft das Chaos die Ordnung, stimmt es mit der Koordination.
Liegestützen: Bei beiden Geschlechtern nicht besonders beliebt, obwohl simpel, wenn man einen Trick anwendet. Der Körper muss steif wie ein Baumstamm sein, bewegt werden nur die Arme und deren Muskeln.
Gleichgewicht: Mit geschlossenen Augen auf einem Bein stehen trainiert die tiefer liegende Rückenmuskulatur. Man darf wackeln, denn das ist ganz normal.
Aufschwung am Reck: Der Bauch muss dicht an der Stange sein, mann muss sich vorstellen, man wolle seinen Hintermann treten. Die Bauchmuskulatur im richtigen Moment einzusetzen, kann man lernen.
Handstand: Als erste Übung empfehlen Übungsleiter, zu Hause rückwärts mit den Füßen eine Wand hochzutippeln, die Hände auf dem Boden. Mit den Zehenspitzen einen Lichtschalter anknipsen. Später den Handstand mit Schwung gegen eine Wand, dort die Füße anlehnen.
Rückwärtsrolle: (in der Regel nicht für Kinder im Alter unter sechs Jahren) In die Hocke gehen auf einer schrägen Matte und vorstellen, man balanciere zwei Gläser auf den Händen.
Hangeln: Funktioniert über Körperspannung.
Vieles ist eine Frage der Technik und vieles, das schwer aussieht, ist nicht schwer. Um zu beeindrucken, gibt es Bluffs. Zum Beispiel sieht eine Landung aus einem Sprung viel eleganter, professioneller und sportlicher aus, wenn die Beine zusammen stehen. Kurz stehen bleiben, die Arme über den Kopf. Nicht schwerer, aber besser als ein »Plumps«.
»Kinder haben einen Bewegungsdrang, der einem Hochleistungssportler entspricht. Voraussetzung ist, dass es gesund ist und Blockierungen der Wirbelsäule nicht vorliegen. Kein gesundes Kind überschreitet seine Leistungsgrenze. Fakt ist: Ein Kind schafft einen Erwachsenen immer. Den Drang muss man aufnehmen«, so die Übungsleiter. Auch Kindern mit Höhenangst könne man einige Kniffe zeigen, wie sie klettern und hoch schaukeln können. »Du kannst das«, ist eine ständige Bestätigung auch für unsichere Kinder, die ein grenzenloses Vertrauen zu ihren Übungsleitern aufbauen.

Artikel vom 07.02.2007