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Drei Polizeibeamte und
zwei Versionen

Zeugen können Unfallflucht noch nicht aufklären

Von Silvia Scheideler
Delbrück/Hövelhof (WV). Wenn drei Polizisten gemeinsam einen Einsatz fahren, sollte man meinen, sie haben dieselben Beobachtungen gemacht. Wenn sich aber nur zwei der Aussagen decken, bleibt die Frage, wer nun Recht hat - der einzelne oder die beiden Kollegen. Um diese Frage ging es gestern vor dem Amtgericht Delbrück zwar nicht, aber durch die sich widersprechenden Aussagen der Beamten saß ein Hövelhofer nicht nur auf der Anklagebank, sondern irgendwie auch zwischen den Stühlen.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Rentner vor, mit 1,07 Promille Alkohol im Blut am 1. Februar 2006 mit dem Wagen des Sohnes einen Unfall auf einem Hövelhofer Parkplatz verursacht zu haben. Anschließend soll er, ohne sich um den Schaden in Höhe von etwa 2600 Euro zu kümmern, vom Unfallort geflüchtet sein. Der 57-Jährige bestreitet die Vorwürfe, äußerte sich gestern selbst aber nicht zur Anklage.
Dass mit dem silbernen Kombi der Unfall verursacht wurde, stand nach der Spurenlage außer Frage. Hinweise auf einen Diebstahl - Fehlanzeige. Aber saß wirklich der Rentner am Steuer, der zweifelsfrei an diesem Abend Alkohol getrunken hatte?
Eine Gruppe von Jugendlichen war durch einen Knall auf die Kollision des Ford Mondeos mit einem geparkten Kleinwagen aufmerksam geworden und meldete das Pkw-Kennzeichen des Verursachers der Polizei, woraufhin der Fahrzeughalter und später auch die Adresse der Eltern ermittelt werden konnte. Dort fanden die Beamten den Wagen mit frischen Unfallspuren. Der Fahrzeughalter weilte nach Angaben seines Vaters unerreichbar in der Schweiz. Wer das Fahrzeug zur Unfallzeit gefahren haben könnte, dazu konnten oder wollten weder der 57-Jährige noch seine ebenfalls alkoholisierte Frau an diesem Abend Angaben machen.
Die beiden als Zeugen geladenen jungen Männer (19), die wie ihre Freunde die Unfallflucht beobachtet hatten, konnten zum Aussehen des Unfallverursachers nach einem Jahr keine genaueren Angaben mehr machen.
Gleich mehrere Widersprüche gab es bei den Zeugenaussagen der drei Polizeibeamten, die am Unfallabend die Ermittlungen aufnahmen und beim Vater des Fahrzeughalters klingelten. Während etwa der Hövelhofer Bezirksbeamte (49) aussagte, dass der Angeklagte den Schlüssel zum Auto seines Sohnes auf Anfrage zielgerichtet ergriff, berichteten die beiden Polizeibeamten der Delbrücker Wache (53 und 45), der Rentner habe zunächst nach dem Schlüssel suchen müssen. Einig waren sich Beamten auch nicht, zu welchem Zeitpunkt einer von ihnen das Haus des Angeklagten verließ, um Zeugen für einen etwaigen Kneipenbesuch des 57-Jährigen und seiner Ehefrau zu ermitteln. Wegen der Kontroversen unter den drei Kollegen saß gestern ein Prozessbeobachter der Polizeibehörde im Gerichtssaal.
Da das Gericht unter Vorsitz von Richterin Dr. Gabriele Großbüsch nach etwa vierstündiger Verhandlung nicht zweifelsfrei klären konnte, ob der Angeklagte zum Unfallzeitpunkt wirklich alkoholisiert am Steuer gesessen hat, sollen weitere Zeugen aus der Gruppe der jungen Zeugen gehört werden. Staatsanwalt Petja Pagel hofft, dass diese, die wie ihre Freunde das Geschehen auf dem Parkplatz beobachtet haben, detailliertere Angaben zum Aussehen des Fahrer machen können. Geplant ist, dass das Verfahren Aschermittwoch fortgesetzt wird. Ob sich die Zeugen - nachdem ein Jahr vergangen ist - besser als ihre Bekannten, die bereits ausgesagt haben, an den Verursacher erinnern können, bleibt fraglich.

Artikel vom 08.02.2007