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Stratmann: »Das Industrieheizkraftwerk
in Mönkeloh ist keine Billig-Anlage«

Kein Nachholbedarf bei den Filteranlagen - WV-Exklusiv-Interview mit Carsten Stratmann

Paderborn (WV). Das geplante Industrieheizkraftwerk in Paderborn-Mönkeloh ist alles andere als eine Billig-Lösung und entspricht modernen technischen Standards. Darauf hat Carsten Stratmann in einem Exklusiv-Interview mit dem WESTFÄLISCHEN VOLKSBLATT hingewiesen. Stratmann sieht daher auch keinen Anlass, in den Planungen zur Filtertechnik Nachbesserungen vorzunehmen. Die Kraftwerksgesellschaft Mönkeloh will - wie berichtet - ein Heizkraftwerk für 60 Millionen Euro zur Energieerzeugung bauen. Das in Bestwig im Sauerland ansässige Unternehmen Stratmann beschäftigt 450 Mitarbeiter und verbuchte 2006 rund 85 Millionen Euro Umsatz. Mit Carsten Stratmann sprach WV-Redakteur Karl Pickhardt .
Herr Stratmann, das beantragte Industrieheizkraftwerk in Paderborn-Mönkeloh wird in der Bevölkerung heftig diskutiert. Kritiker sprechen von einer »Billig-Anlage«. Entspricht das von der Kraftwerksgesellschaft Mönkeloh geplante Projekt modernen Technik-Standards?
Carsten Stratmann: Ja, das Industrieheizkraftwerk entspricht modernen Technik-Standards. Lassen Sie mich hierzu bitte zunächst einmal betonen, dass der Zweck dieser Anlage die Energieproduktion ist. Allein hieraus ergeben sich zahlreiche Anforderungen an die Technik-Standards, da ein Kraftwerk nur im Betrieb seinen Zweck erfüllt.
Die Diskussion macht sich aber überwiegend an der vorgesehenen Rauchgasreinigungstechnik fest. Die Behauptungen der Kritiker, die für das Kraftwerk Mönkeloh geplante Abgasreinigungstechnik entspräche nicht dem Stand der Technik, sind falsch.
Das hier zum Einsatz kommende so genannte quasi-trockene Rauchgasreinigungsverfahren entspricht nicht nur den gesetzlichen Vorgaben (»Stand der Technik«), sondern auch den europäischen Vorgaben in dem so genannten Merkblatt zur »Besten Verfügbaren Technik«. Danach stellen alle derzeit am Markt verfügbaren Abgasreinigungstechniken, so auch die hier geplante, den »Stand der besten verfügbaren Technik« und damit auch den Stand der Technik dar. Sämtliche Anlagen sind in der Lage, die gesetzlichen Grenzwerte der TA-Luft und der 17. Bundes-Immisions-Schutz-Gesetzverordnung (BImSchV) nicht nur sicher einzuhalten, sondern deutlich zu unterschreiten.
Bei dem hier geplanten Verfahren handelt es sich um das derzeit am häufigsten zum Einsatz kommende betriebssichere und bewährte Verfahren. Dieses Verfahren wird derzeit bereits in den Anlagen MVA Hamm, SRS Ecotherm, TREA Leuna und MHKW Rothensee - um nur einige zu nennen - und auch in der von BKB/E.on betriebenen Anlage in Hannover/Lahe mit Erfolg eingesetzt. Die Betriebswerte dieser Anlagen liegen deutlich unterhalb der Grenzwerte der 17. BImSchV.


In der Kritik stehen die vorgesehenen Filteranlagen, die auch nach Meinung von Landrat Manfred Müller und auch der Bezirksregierung weniger leistungsfähig seien als die Filter in der Müllverbrennungsanlage in Bielefeld-Heepen. Warum setzen Sie bei der Rauchgasreinigung auf ein selektives Entstickungsverfahren, das angeblich nur knapp die gesetzlich festgelegten Grenzwerte unterschreitet?
Carsten Stratmann: Die Aussage, wonach diese Filteranlagen weniger leistungsfähig sind als die in der Müllverbrennungsanlage in Bielefeld eingesetzten, ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Richtig ist, dass in den Anlagen, die von der öffentlichen Hand Anfang der 90iger Jahre errichtet wurden, wie zum Beispiel in Augsburg und in Bielefeld, mit einem wesentlich höheren finanziellen Aufwand weitere Abgasreinigungsstufen realisiert wurden (zum Beispiel Nasswäsche), die in Teilbereichen noch bessere, weit über das Erforderliche hinausgehende Abreinigungsergebnisse erzielen. In neuen modernen Anlagen hingegen werden heute - unter dem Druck des Wettbewerbs der Anlagen untereinander sowie unter ökologischen Gesichtspunkten - auch von denselben Betreibern, die früher aufwändige Abgasreinigungstechniken errichtet haben (zum Beispiel BKB/E.on - Anlagen in Hannover, Rothensee und andere) derart aufwändige Abgasreinigungstechniken nicht mehr errichtet. Im Rahmen einer notwendigen medienübergreifenden Betrachtung sind nämlich auch die damit verbundenen Energie- und Resourcenverbräuche der verschiedenen Verfahren zu betrachten.
Desweiteren möchte ich darauf hinweisen, dass die Anlage in Bielefeld sowohl im Ausgangsbescheid wie auch in dem jüngst ergangenen Änderungsgenehmigungsbescheid, mit den Grenzwerten der 17. BImSchV genehmigt wurde, also mit denselben Werten, die wir auch für unser Kraftwerk beantragt haben. Dies gilt im Übrigen auch für eine große Anzahl anderer vergleichbarer Vorhaben, die bereits realisiert wurden oder sich aktuell im Bau befinden.
Unter dem Gesichtspunkt der Vorsorge und des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung ist weiterhin unstreitig, dass mit zusätzlichen Filtereinrichtungen und damit zusätzlichen Investitionen und Betriebskosten möglicherweise noch Verbesserungen der Emissionssituation (also des Ausstoßes) hinsichtlich einzelner Schadstoffparameter erzielen lassen. Betrachtet man jedoch die für die eigentliche Wirkung, das heißt im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Schutzgüter Mensch, Luftreinhaltung, Boden und Pflanze, entscheidende Immissionsseite, so sind mit diesen zusätzlichen Stufen keinerlei relevante Verbesserungen zu erreichen. Dies liegt daran, dass entgegen der häufig geäußerten Meinung die von den Anlagen einzuhaltenden Werte der 17. BImSchV bereits sehr strenge Anforderungen darstellen. Hierüber besteht Einigkeit unter sämtlichen Fachleuten.

Bei den Grenzwerten der TA-Luft und der 17. BImSchV handelt es sich auch nicht, wie oft behauptet, um politisch festgelegte und überholte Werte. Diese entsprechen vielmehr dem Stand der europäischen Vorgaben im Bereich der Luftreinhaltung und stellen Vorsorgewerte im Hinblick auf die menschliche Gesundheit dar. Dies ist auch unter humantoxikologischer Sicht nachgewiesen.

Gibt es in Deutschland Heizkraftwerke, die mit der geplanten Anlage in Mönkeloh vergleichbar sind und problemlos laufen, wie dies jüngst die CDU Borchen erfahren haben will?Carsten Stratmann: In den letzten Jahren wurden mehrere Anlagen mit der auch für Mönkeloh vorgesehenen Technik errichtet. Weitere Anlagen sind derzeit im Bau und im Genehmigungsverfahren. Lassen Sie mich bitte noch erwähnen, dass Heizkraftwerke in der Nähe der Energieabnehmer, also insbesondere der Wärmeabnehmer errichtet werden. Denn Wärme kann man nur sehr schwer über längere Entfernungen transportieren. Als Folge davon muss der Brennstoff zum Heizkraftwerk transportiert werden, wie es ja auch bei Gas, Öl und Kohle geschieht. In diesem Zusammenhang von »Mülltourismus« zu sprechen verkennt also die Sachzwänge.

Erste Stellungnahmen aus Rathäusern und dem Paderborner Kreishaus lassen erkennen, dass heimische Politiker dem Heizkraftwerk in der beantragten Form nicht zustimmen werden. Sind Sie zu weiteren Investitionen bereit, um mit einer höherwertigeren Technik Bedenken auszuräumen? Carsten Stratmann: Aus den oben dargestellten Gründen und angesichts der Erfahrung an allen anderen Standorten sind »Zugeständnisse« im Hinblick auf eine weitere »Verbesserung« der Abgasreinigungstechnik nicht erforderlich. Sie sind auch nicht geeignet, Bedenken gegen solche Vorhaben, die grundsätzlicher Natur sind und auf unberechtigten Ängsten beruhen, auszuräumen.

Im Industrieheizkraftwerk Mönkeloh sollen jährlich etwa 115 000 Tonnen Müll zur Energieerzeugung verbrannt werden. Diese Müllmenge kann im Kreis Paderborn allein nicht aufgebracht werden. Woher stammt das Heizmaterial für das Heizkraftwerk?Carsten Stratmann: Wir bewegen uns bezüglich der Brennstoffversorgung des Kraftwerkes in einem Markt, der sich ständig in Bewegung befindet. Diesem - im Übrigen von der EU und den deutschen Kartellbehörden geforderten - Wettbewerb wollen und müssen wir uns stellen. Dies bedeutet auch, dass wir auf Änderungen des Brennstoffangebotes reagieren müssen, uns somit in Bezug auf die Herkunft der Brennstoffe nicht festlegen können. Wir sind jedoch bemüht, regionale verlässliche Quellen langfristig mit einzubinden, wie es uns zum Beispiel bei der PEG (Paderborn) und der EWG (Diemelsee) schon gelungen ist. Aufgrund weiterer noch nicht abgeschlossener Verfahren können wir hier derzeit leider noch keine genaueren Angaben machen.
Landrat Manfred Müller und andere Politiker im Raum Paderborn fordern eine Vorbelastungsmessung oder ein human-toxikologisches Gutachten. Warum tut sich Ihr Haus damit so schwer, dieser Forderung nachzukommen?Carsten Stratmann: Vorbelastungsmessungen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für das Kraftwerk Mönkeloh sind nach den gesetzlichen Vorgaben der TA-Luft nicht erforderlich, da die Zusatzbelastungen durch das Kraftwerk im Hinblick auf die genannten Schutzgüter irrelevant sind. Dies bedeutet, dass die Zusatzbelastungen durch das geplante Vorhaben so gering sind, dass es keinen näher zu betrachtenden Beitrag zur Veränderung der Vorbelastungssituation liefert. Vereinfachend ausgedrückt ändert sich also nichts. Außerdem wurden in der Immissionsprognose nicht nur die Beurteilungswerte der TA Luft betrachtet, sondern auch die Auswirkungen der potentiell kanzerogenen Schadstoffe (insbesondere Schwermetalle, Dioxine, Furane) an den rechtlich maßgebenden Beurteilungswerten des Länderausschusses für Immissionsschutz bewertet. Aus diesem Grunde ist ein gesondertes humantoxikologisches Gutachten nicht notwendig. Ein humantoxikologisches Gutachten ist auch für die Feststellung der Genehmigungsfähigkeit nicht erforderlich. Wir nehmen jedoch die Einwände und Bedenken der Bevölkerung sehr ernst. Daher überlegen wir derzeit, ob zur Beantwortung der im Rahmen der Einwendungen eingehenden Fragestellungen zu möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen ein humantoxikologisches Gutachten eingeholt werden sollte. Lassen Sie mich bitte jedoch noch einmal klarstellen: Eine gesundheitliche Gefährdung der Anwohner ist ausgeschlossen! Wenn eine solche Gefährdung zu besorgen wäre, würde die Bezirksregierung die beantragte Genehmigung nicht erteilen und es wären in Deutschland auch nicht mehr als 70 vergleichbare Anlagen in Betrieb.

Die Baukosten für das Heizkraftwerk werden mit 60 Millionen Euro angegeben. Sind auch Betriebe im Paderborner Land qualifiziert, an der Realisierung des Projekts beteiligt zu werden?Carsten Stratmann: Wir haben es in der Vergangenheit stets geschafft, regionale Unternehmen bei unseren Projekten mit einzubinden, und wir sind gut damit gefahren. Bei einem Projekt dieser Größe muss man als Betreiber jedoch viele Aspekte in die Auswahl der Lieferanten mit einfließen lassen, die regionale Präsens zum Beispiel im Hinblick auf einen schnellen und zuverlässigen Service ist nur einer davon. Wir fühlen uns der Region verbunden und wir werden uns bemühen, mit dieser Anlage Arbeitsplätze in der Region zu sichern.

Wie viele Arbeitsplätze entstehen in einem Heizkraftwerk in Mönkeloh?Carsten Stratmann: Im Heizkraftwerk selbst werden etwa 30 neue Arbeitsplätze entstehen. Diese Mitarbeiter werden den eigentlichen Betrieb der Kraftwerkes bewerkstelligen. Darüber hinaus zeigen jedoch Erfahrungen anderer Projekte, dass weitere Arbeitsplätze im vor- und nachgelagerten Bereich, also zum Beispiel im Bereich Logistik, qualifizierte Anlagenwartung und weitere Dienstleistungen, entstehen. Diese lassen sich jedoch naturgemäß nicht quantifizieren.

Artikel vom 08.02.2007