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Gottes Wort hat guten Klang

Sänger Jakow Zelewitsch (60) ist Kantor für drei jüdische Gemeinden

Von Bernd Bexte
Herford (HK). Seine große Leidenschaft ist der Gesang. Mit seinem voluminösen Tenor verkündet Jakow Zelewitsch das Wort Gottes. Der 60-Jährige ist Kantor der jüdischen Gemeinde. Er leitet die Gottesdienste nicht nur in der Gemeinde Herford-Detmold, sondern auch in Minden und Paderborn. Sein bemerkenswerter Lebensweg führte den gebürtigen Ukrainer vor vier Jahren nach Herford.

Hier hofft er, dass mit dem Bau der neuen Synagoge auch das jüdische Leben neue Impulse empfängt und geben kann. »Das ist für uns ein ganz großes Ereignis.« Vor 16 Jahren war er mit seiner Frau Kira und Tochter Julia von Lettland nach Deutschland gekommen, zunächst nach Münster. »Meine Frau stammt aus Riga, dort haben wir gelebt.« Zelewitsch hatte dort als leitender Ingenieur gearbeitet, in seiner Freizeit widmete er sich aber ganz dem Gesang, in der Synagoge ebenso wie im Konzertsaal. Im Zuge der politisch-wirtschaftlichen Krise, mit der die Unabhängigkeit Lettlands von der damaligen Sowjetunion einherging, verließen die Zelewitschs ihre Heimat. »Eigentlich wollte ich nach Israel, aber auch dort waren die Chancen auf eine Arbeitsstelle schlecht.«
So zog die Familie nach Münster, wo Zelewitsch nach einem einjährigen Sprachkursus einen Job in einer EDV-Firma fand. »Nebenher habe ich aber immer als Kantor gearbeitet. Dafür bin ich durch fast ganz Deutschland gereist.« Zelewitsch Stimme verschaffte sich buchstäblich Gehör: So sang er bei großen Veranstaltungen des Zentralrats, unter anderem vor den Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, Johannes Rau oder Bundeskanzler Gerhard Schröder.
Als Zelewitsch 2001 arbeitslos wurde, bekam er auf Initiative von Harry Rothe, Vorsitzender der heimischen Gemeinde, das Angebot, Kantor für OWL zu werden. »Dafür bin ich allen Beteiligten heute noch dankbar.« Neben den drei Gemeinden war er zunächst auch noch für Bielefeld zuständig. Von Herford aus - hier wohnt er mit seiner Frau, die als Sprachlehrerin arbeitet, im Obergeschoss der Synagoge an der Komturstraße - bereist er nun seit bald vier Jahren die Region. Als Kantor leitet er die Gottesdienste, ist Vorbeter und Sänger. Sein Wissen um Torah, Talmud und Kaddisch erwarb Zelewitsch von verschiedenen Rabbinern. »Am wichtigsten war für mich Rabbi Marc Stern. Er war eine beeindruckende Persönlichkeit.« Der Belgier Stern, mittlerweile verstorben, stammte aus der Brüsseler Gemeinde, war zuletzt jedoch in Osnabrück tätig.
Neben der Leitung der Gottesdienste - sie finden in jeder der drei Gemeinden mindestens zweimal im Monat statt - erteilt der Herforder Kantor auch Religionsunterricht. »Ich nenne das aber lieber Gespräch statt Unterricht.« So bereitet er unter anderem Jugendliche auf das Bar Mizwa-Fest vor. Darüber hinaus leitet er Beerdigungen nach jüdischem Ritus. »Und natürlich bin ich für Gemeindemitglieder auch Gesprächspartner bei zwischenmenschlichen Problemen.«
Der 60-Jährige bezeichnet sich selbst als »integrierter, aber nicht assimilierter Jude«. Was nichts anderes heißen soll, als dass er seinen jüdischen Glauben in seiner neuen Heimat selbstbewusst und selbstverständlich leben möchte. Christentum und Islam seien »Tochterreligionen«. »Jede versucht, auf ihre Weise einen guten Menschen zu schaffen.«
Doch auch auf die Konzertbühne zieht es Zelewitsch immer wieder. Am Klavier begleitet von seiner 32-jährigen Tochter, einer studierten Musikerin, gibt er nicht nur jüdisch-hebräische Lieder zum Besten. Auch russische Romanzen oder italienische »Canzone« hat er im Repertoire. »Ich liebe diese Lieder«, sagt er und stimmt spontan »O sole mio« an.

Artikel vom 07.02.2007