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Hallenchef gibt Schlüssel ab

Nach 18 Jahren hat Johann Nusser gestern Abschied genommen

Von Stephan Rechlin
und Wolfgang Wotke (Foto)
Gütersloh (WB). Der Generalschlüssel und das Diensthandy. Die Insignien des Stadthallenchefs. Gestern hat Johann Nusser (61) sie für immer abgegeben, hat sie an der Pforte hinterlegt, wie abgesprochen.

Bei der Abschiedsrunde im Rathaus gab es gestern nur warme, lobende Worte. Nusser weiß jedoch, dass ihn dort längst nicht alle mochten, dass einige Ratsherren diesen letzten Tag möglicherweise herbeigesehnt haben. Als Flüchtlingskind in Bayern hat er früh lernen müssen, mit Animositäten möglichst locker umzugehen: »Ich wurde nie dafür bezahlt, von allen gemocht zu werden.« Seine Geburtsstadt ist Budapest. Dort kam der kleine Johann 1945 zur Welt, ohne Vater, den hatte die Wehrmacht 1944 als Partisan mit einem Genickschuss getötet.
Der Mutter rieten die Freunde, sich dringend einen Totenschein ausstellen zu lassen, um später einmal Rente fordern zu können. Nach acht Jahren Volksschule lernte Johann - eines von vier Kindern - den Beruf des Autoschlossers. Er schraubte zwei Jahre in Zürich, dann heuerte er auf einem Handelsschiff an. Dreieinhalb Jahre fuhr Nusser zur See, als Schiffsschlosser, unter liberianischer Flagge und überwiegend chinesischer Besatzung. »Dort wurden 220 Überstunden pro Monat schlicht erwartet. Es gab keine freien Tage und keine Wochenenden an Bord.« Seine spätere Frau Ursula holte ihn wieder an Land, motivierte ihn, etwas mehr aus sich zu machen.
Nusser holte das Abitur auf der Abendschule nach, studierte Maschinenbau und Betriebswirtschaft. Der Pelikan-Konzern nahm ihn anschließend in sein Trainee-Programm auf, formte aus dem Malocher und Studenten einen Manager. Als Leiter der Verkaufsförderung bei der Centralen Marketing Agrargesellschaft (CMA) lernte er vier Jahre lang die Sprache der Chefeinkäufer der großen deutschen Lebensmittelketten kennen. Hans-Joachim Hangstein warb ihn danach in die Geschäftsführung der Halle Münsterland ab. Mit der Verpflichtung der spanischen Reitschule Wien und der konsequenten Vermarktung dieser Veranstaltung lieferte Nusser 1987 sein »Meisterstück.«
Ein Jahr später wechselte er nach Gütersloh. Über die Pannen bei der Suche nach einem Nachfolger schmunzelt Nusser. Als er damals wechselte, hatte eine Zeitung seinen Namen genannt, ohne dass sein Arbeitgeber informiert gewesen war. Geschrei, Vorwürfe, Schuldzuweisungen. Wer würde sich jemals noch in Gütersloh bewerben? »Ich war 18 Jahre und sechs Monate Stadthallenchef und habĂ• es nie bereut.«

Artikel vom 08.02.2007