07.02.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Ein Titel-Opfer für den Trainer

Handball-Triumph: Dr. Mellwig steht mit Rat, Tat und Bart zur Seite

Von Alexander Grohmann
Bad Oeynhausen (WB). Handball statt Herzzentrum: Drei Wochen lang begleitete der Oeynhausener Dr. Klaus-Peter Mellwig die deutsche Nationalmannschaft hautnah auf dem Weg zum WM-Titel. Und brachte nach dem Finalsieg gegen Polen ein echtes Opfer: Der markante Bart kam ab. Und Heiner Brand freute sich.

Denn eigentlich sollte ja »Bundes-Heiner« wieder seinen berühmten Schnäuzer verlieren. Wie schon nach dem EM-Gewinn 2004. Doch diesmal lehnte Brand, vielleicht auch nach Intervention von Ehefrau Christel (»Ohne Bart sah er damals furchtbar aus«) dankend ab. Und so nahmen die nach dem Titel immer noch tatendurstigen Spieler die Team-Ärzte ins Visier. Auch der Bart von »Doc« Berthold Hallmaier musste dran glauben.
»Ein komisches Gefühl«, betont Mellwig und fährt sich mit der Hand über das Gesicht. Dort wo zuvor der schicke Schnäuzer prangte, stehen nur noch ein paar Stoppel. Nach einem Tag Pause war der kardiologische Oberarzt auf der Intensivstation des Bad Oeynhausener Herzzentrums gestern schon wieder im Dienst. Die Eindrücke der WM sind noch ganz frisch. Besonders vom Rathaus-Empfang in Köln schwärmt Mellwig: »Da lief es einem kalt den Rücken runter«, befand sich der Arzt angesichts der 30 000 Fans im Ausnahmezustand. Das Turnier war nicht nur Genuss: Besonders das dramatische Halbfinale gegen Frankreich ähnelte einem EKG-Belastungstest. »In der Verlängerung habe ich nur noch mit dem Rücken zum Spielfeld gesessen und auf die Reaktion der Zuschauer gewartet, weil ich nicht mehr hinsehen konnte«, blieb dem Kardiologen fast das Herz stehen.
Seit 1999 arbeitet das Herzzentrum mit der deutschen Nationalmannschaft zusammen. Die Leistungs-Untersuchungen in Bad Oeynhausen gehören für Florian Kehrmann und Co. längst zum Alltag. Bei der Heim-WM fungierte Mellwig als Koordinator für die Teamärzte, war aber auch als Betreuer der deutschen Mannschaft im Dauereinsatz. Er wohnte wie der übrige deutsche Tross im Hotel in Wiel (»Wand an Wand mit den Spielern«) und verfolgte den steilen Aufstieg der Auswahl somit aus nächster Nähe. »Wie sich einige Spieler im Turnier entwickelt haben, war sensationell.«
Die Hauptrolle spielte aber der Bundestrainer, der die Mannschaft immer perfekt eingestellt habe. »Das Paradebeispiel war die Niederlage gegen Polen in der Vorrunde.« Die Folge: Im Finale kamen die gefährlichen Scharfschützen des Gegners nicht mehr zur Geltung, Brand hatte den Gegner mit seinen taktischen Vorgaben ausmanövriert. Zu Ehren des Trainers klebten sich die Spieler zur Pokalverleihung Kunstbärte an, wenig später kam dafür Mellwigs Schnäuzer ab. Der Arzt tapfer: »Irgendwer musste für Heiner ja die Kohlen aus dem Feuer holen.«

Artikel vom 07.02.2007