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»Kapitulation der
deutschen Justiz«

Angeklagte in Abwesenheit verurteilt

Herford (cl). »Nur zur Klarstellung für die Zuschauer: Wir erleben hier gerade die Kapitulation der deutschen Justiz vor reisenden Straftätern!«, donnerte Oberstaatsanwalt Eckard Baade im Strafprozess gegen zwei abwesende Asylbewerberinnen aus dem Kaukasus. Sie waren im letzten August bei »Saturn« geschnappt worden, als sie ein Navigationsgerät im Wert von 299 Euro gestohlen hatten.

Außerdem hatten sie vier Camcorder für fast 2000 Euro in raffiniert präparierten Diebestaschen (»Die bekommt man so nicht ab Fabrik geliefert«) abgeschleppt und waren für kurze Zeit in U-Haft gelandet.
Für ihre Pflichtverteidiger Dr. Detlev Binder und Andreas Chlosta waren sie an ihren Wohnorten Büren und Warendorf postalisch nicht zu erreichen. Doch das Herforder Amtsgericht verschickt seine Post mit einem privaten Anbieter, dem die Zustellung gelang. Allerdings waren die beiden vorbestraften Frauen trotz der erhaltenen Ladung nicht zu ihrem Prozess erschienen, um sich für die gewerbsmäßigen Diebeszüge zu verantworten.
Theoretisch hätte man jetzt wieder Haftbefehle erlassen und die Inhaftierung veranlassen können. Doch dies hätte die Allgemeinheit eine Menge Geld gekostet. So baten die Verteidiger um Bewährungsstrafen per Strafbefehl, gegen die sie auch gewiss keine Berufung einlegen würden. Das Gericht unter Vorsitz von Richterin Claudia Schonscheck stimmte dieser pragmatischen Lösung mit erheblichen Bauchschmerzen zu: Beide Frauen wurden in Abwesenheit zu je acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Beide müssten die nächsten drei Jahre straffrei leben, um keinen Widerruf zu riskieren.

Artikel vom 08.02.2007