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Tigerenten-Kinder ganz nah am Hund

Löhne-Bahnhof: Die Beziehung zum Tier soll den Kleinen bei der Weiterentwicklung helfen

Von Matthias Band (Text und Foto)
Löhne (LZ). Nur zögerlich nähert sich der vierjährige Junge. Als Ebby einen Schritt nach vorne macht, tritt er zurück. Mit einem Leckerli bewaffnet, versucht er erneut sein Glück. Als die eineinhalbjährige Hovawarthündin freudig mit dem Schwanz wedelt, ist das Eis gebrochen. Jetzt traut er sich sogar, Ebby zu streicheln.

So wie dem vierjährigem Jungen ergeht es vielen Kindern im Kindergarten »Tigerente« am August-Schlüpmann-Weg. Bei den ersten Aufeinandertreffen sind sie ängstlich, doch mittlerweile haben sie den tiefschwarzen Vierbeiner in ihr Herz geschlossen. Aber nicht nur das - der Hund wirkt sich auf das Verhalten der Kinder aus: Sie werden offener und sprechen mehr.
»Vor drei, vier Monaten hätte er sich nicht einmal in die Gruppe gesetzt«, sagt Kindergartenleiterin Claudia Kröger über den Jungen aus der Szene vom Anfang. Vor einem Jahr sei er noch gehemmt und verschlossen gewesen. »Er hat andere Kinder oder Erwachsene gemieden und fast nicht gesprochen«, erzählt Claudia Kröger.
Doch seitdem Ebby regelmäßig im Kindergarten Tigerente auftaucht, hat sich das geändert. »Jetzt spielt er in der Gruppe und spricht sogar ein bisschen«, sagt Claudia Jung.
Seit acht Jahren arbeitet Claudia Kröger im Kindergarten Tigerente. Vor etwa einem Jahr fasste sie den Entschluss, eine professionelle Hundeführerin mit ihrem Hund in den Kindergarten einzuladen: »Ich habe selbst einen Hovawart und ich weiß um die positive Ausstrahlung von Tieren auf Kinder.« Die Entscheidung sei ihr nicht leicht gefallen.
Sie musste gegen Klischees und Vorurteile ankämpfen. Hunde seien dreckig und übertrügen Würmer, waren einige Eltern und Kollegen besorgt. Doch sie setzte sich durch.
Claudia Kröger bringt das Problem auf den Punkt: »Die meisten Kinder haben keine Haustiere und wissen nicht, wie man mit ihnen umgeht«, erklärt Claudia Kröger.
»Hunde reagieren sehr sensibel auf Zeichen«, weiß Beate Poetting, Ebbys Frauchen und Inhaberin der »aHa«-Hundeschule in Vlotho-Exter. Das ist für Kinder, die Sprachstörungen oder Probleme bei der Kontaktaufnahme haben, eine willkommene Abwechslung. »Tiere stellen keine Bedingungen. Sie verstehen auch ohne Sprache«, sagt Beate Poetting. Reaktion, Aktion lautet das Prinzip. Das bilde Vertrauen.
Bei den Besuchen lernten die Kinder, wo sie Hunde anfassen können und wie sie mit ihnen umgehen müssen. »Das geht in unserer Kultur verloren«, sagt Beate Poetting. Hunde würden in unserer Gesellschaft nur noch als Konsumgegenstand benutzt.
In der Hundeschule in Vlotho-Exter, wo es auch eine Hundepension und einen Hundekindergarten gibt, hat Ebby ein spezielles Hundetraining bekommen. »Unsere Methoden leiten sich aus dem Delfintraining ab. Wir bestrafen die Tiere nicht, wenn etwas nicht so klappt, wie wir uns das vorgestellt haben, sondern fragen nach dem Warum und versuchen das Problem zu lösen.« Härte oder Strafen hätten da keinen Platz.
Im Spiel mit dem Hund lernen die Kinder Sozialkompetenz, Verantwortung und Verhaltensregeln. Sie beobachten, fühlen und merken, wenn sie Rücksicht auf Ebby nehmen müssen, weil sie keine Lust mehr hat und ihre Ruhe möchte. Denn auch für die Hündin sind die Treffen anstrengend. Nebeneffekt: »Die Kinder werden neugierig. Sie fragen zum Beispiel, wie Hunde ihre Welpen füttern«, erläutert Claudia Kröger.
Plötzlich geht der vierjährige Junge noch einmal zu Ebby und krault sie hinter dem Ohr. Die Hundedame bedankt sich auf ihre Art: Sie schleckt seine Hand und zaubert ein Lächeln auf sein Gesicht.

Artikel vom 03.02.2007