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Candy Starr (Hannah Lüling) mit McMurphy (Simon Barg).

Machtkampf endet in der Katastrophe

»Einer flog übers Kuckucksnest«

Von Henrike Kopmann
Espelkamp (WB). »Diese verdammte Klapsmühle ist nicht groß genug für uns beide.« Gleich nach der Einweisung »markiert« McMurphy (Simon Barg) »sein Revier«. Um dem Arbeitslager zu entgehen, täuscht der Raufbold und Frauenheld eine Psychose vor. - Am Freitag brillierten die Laienspieler des Söderblom-Gymnasiums in der Premiere von »Einer flog übers Kuckucksnest«.




Harmonisch-hypnotisches Dudeln dringt aus den Lautsprechern. Mit maskenhaft energischem Lächeln hält Schwester Ratched (Isabelle Latza) die »Insassen« der psychiatrischen Klinik im Zaum. Mit der Einlieferung des Kleinkriminellen McMurphy jedoch sollen die wohl geordneten Verhältnisse ein Ende haben.
Die apathische Memory-Runde im Aufenthaltsraum wird zum Glücksspielbetrieb umfunktioniert. Anfangs noch mit der Intention, die Patienten um ihr Geld zu bringen, setzt sich McMurphy schließlich für seine »Leidensgenossen« ein. Ob Basketballspiele in den Klinikräumen, das Zähneputzen zu selbst gewählten Zeiten oder die Verfolgung der Endspiele im Fernsehen - er fordert Mitbestimmung. »Wehr dich!«, ruft er Harding (Jannik Redenius) auf, dem ein »Mutterkomplex« und »Unmännlichkeit« unterstellt werden.
Unter dem Einfluss des Rebellen wird der Alltag in der Anstalt lebens- und liebenswerter: Immer noch zieht Martini (Julian Erksmeyer) seinen imaginären Hund hinter sich her. Immer noch hat Scanlon (Torben Riechmann) die paranoide Vorstellung eines drohenden Bombenanschlags. Aber trotz all dieser unterschiedlichen Eigentümlichkeiten und Ticks entsteht ein Gefühl der Solidarität.
McMurphy - mit seiner distanzlos direkten Art - gelingt, woran Therapeuten gescheitert sind: Er bringt den vermeintlich taub-stummen Bromden (Tobias Schaad) zum Sprechen. Der »Stationshäuptling« hat das Schicksal seines Vaters nie verwunden: Dieser verkaufte das Reservat und seine Identität als Indianer an die Regierung, verfiel dem Alkohol.
»Der größte Rabatz, der je in einer Klapsmühle stattgefunden hat«, kündigt McMurphy die Abschiedsparty vor seiner geplanten Flucht an. Geladen sind die Prostituierten Candy Starr (Hannah Lüling) und Sandra (Eva Kleinehollenhorst). Sie heizen nicht nur dem schüchternen Stotterer Billy (Lydia Dyck) gehörig ein. Als jedoch die dominante Miss Ratched auf die verbotene Feier stößt, endet die Revolution eines aufmüpfigen Narrens in einem menschlichen Drama. Den tragischen Ausgang Stückes können Zuschauer noch am Dienstag und Donnerstag in Erfahrung bringen.
»Eine Geschichte in der Menschlichkeit und Unmenschlichkeit sehr nah beieinander liegen«, Schulleiterin Christiane Seibel unterstrich, dass sie dem Stück »zwiegespalten« gegenüberstehe. Gerade in Anbetracht des kontroversen Themas: Hut ab vor der Leistung des Laienspielkurses der Jahrgangsstufe 13 unter der Regie von Bärbel Brandt und Andreas Ferling.
Mitreißend menschlich, einmalig humorvoll, aber nie trivial. Der Balance-Akt zwischen Komik und Tragik gelang. Am Ende der »Gruppentherapie« mit der desorientierten Dr. Spivey (Nadine Kütemann), die euphorisch animierte, »Gefühle kundzutun«, hatte das Publikum jeden der verrückten Charaktere unweigerlich ins Herz geschlossen.
Neben den bereits genannten Darstellern standen folgende Akteure ebenfalls auf der Bühne: Fokko Eller, Alexander Zoi, Holger Büttemeyer, Yannick Facklam, Marco Radtke, Tim Uges, Jan-Patrick Bode, Jasmin Sudermann, Jana Wallossek sowie Marie Schiereck.

Artikel vom 29.01.2007