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Gleisstücke in den Tod

Orit Baders fabelhafte Holocaust-Mahnung im Burgsaal

Von Manfred Stienecke
(Text und Foto)
Kreis Paderborn (WV). Eine Ausstellung über den Holocaust muss nicht düster oder trocken-dokumentarisch sein. Die gezeigten Objekte dürfen auch einmal Kopf und Sinne gleichermaßen ansprechen.

Dies verdeutlicht die deutsch-israelische Künstlerin Orit Bader mit ihrer in jeder Beziehung an-sehenswerten Ausstellung »Himmel und Erde«, die zum Holocaust-Gedenktag am Sonntag im Burgsaal der Wewelsburg eröffnet wurde. Die 1954 in Israel geborene Tochter eines noch als Jugendlicher 1939 nach Palästina ausgewanderten deutschen Juden richtet aus der zweiten Generation der Opfer einen ebenso phantasievoll-anregenden wie eindringlichen Blick auf den Massenmord der NS-Rassenideologie (bis 18. Februar). In 35 Bildern und Collagen hat die heute in München lebende Künstlerin die Geschichte ihrer verfolgten Familie stellvertretend für die Millionen NS-Opfer aufbereitet. In simpel zusammengenagelten Holzrahmen, oft auf Pappe gemalt und geklebt, lässt sie wie unter behelfsmäßigen Lagerbedingungen eine Welt der Ausgrenzung und Unterdrückung, der Folter und zielgerichteten Vernichtung entstehen. Wie das permanante Rattern der Bahnschwellen verweisen überall Modellbahngleise auf die Fahrt in den Tod. Die Opfer erscheinen zumeist nur als Zahlenkolonnen aus Transport- und Todeslisten, symbolhaft in Erinnerung gerufen durch Häftlingsstoff und die farbigen KZ-Winkel, die sie bestimmten Häftlingsgruppen zuordneten.
Orit Baders Bild-Kompositionen sind keine trostlosen Wehklagen und schmerzen den Betrachter doch. Die beinahe kindlich verspielten Schreckens-Szenarien machen betroffen und doch nicht hoffnungslos: Über der verbrannten Erde der Vernichtung wölbt sich in ihren Bildern trostreich der Himmel, der eine neue blühende Zukunft verheißt, ohne die bittere Vergangenheit auszublenden.
Das Kreismuseum in der Wewelsburg sehe es angesichts der 1285 Opfer im benachbarten KZ Niederhagen als seine Aufgbe an, die Erinnerung an die Opfer wach zu halten, betonte Landrat Manfred Müller in seiner Begrüßungsrede. Dr. Sonja Staar von der Gedenkstätte Buchenwald führte in die Arbeiten ein, während René Madrid die Gedankenanstöße mit traumhaft schönen, auf dem Akkordeon gespielten Eigenkompositionen vertiefte, die an die jiddische Musiktradition anknüpften.
Schon am Vorabend gestaltete die Chorgemeinschaft »cantus novus« aus Detmold mit konzertanten Gästen eine sehr gut besuchte Gedenkveranstaltung im Burgsaal.

Artikel vom 29.01.2007