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»Wir bleiben, bis der Bagger kommt«

Neue WESTFALEN-BLATT-Serie: Fußball-Fan Axel Lutterkort bei fast jedem Arminia-Spiel dabei

Von Hans-Heinrich Sellmann
Borgholzhausen (WB). Etwas Wehmut ist in den kommenden Wochen immer dabei, wenn Axel Lutterkort Samstag Nachmittag um kurz vor halb vier die Treppe raufsteigt - die Treppe zu Block sechs. Nach mehr als 20 Jahren muss sich der Fußball-Fan auf der »Alm« einen neuen Platz suchen. Zum Auftakt der neuen WESTFALEN-BLATT-Serie »Fans im Altkreis« erzählt der Borgholzhausener seine Geschichte(n) aus drei Jahrzehnten DSC Arminia.

Und diese Geschichte war zuletzt von Fan-Abenden, langen Diskussionen und Demonstrationen geprägt. Denn der Umbau der Osttribüne schmeckt treuen Arminen wie Axel Lutterkort gar nicht. Spätestens zur nächsten Saison soll aus den Steh-Blöcken fünf, sechs und sieben (Gäste) eine reine Sitzplatztribüne werden. Mit den anderen Mitgliedern des Fanclubs »The Firm« (Kasten in diesem Textblock) hat der 49-Jährige alles versucht, die »alte Heimat« zu erhalten: »Wir waren mit 25 Leuten beim Fantreffen mit Roland Kentsch, haben Plakate gemalt und T-Shirts gedruckt.«
Doch nichts hat geholfen. Die neue Tribüne der SchücoArena (wenn der Name nicht schon Strafe genug wäre) kommt. Dabei hat Lutterkort gar nichts gegen die Modernisierung des Stadions: »Mehr Sitzplätze sind okay. Unterm Strich wird es aber einfach zu wenig Stehplätze geben.« Dort schlägt das Herz eines Stadions, wird die nicht zuletzt für die Mannschaft so wichtige Stimmung erzeugt. »Die Atmosphäre ist neben den Siegen von Arminia doch das Entscheidende an einem Fußballspiel«, sagt Axel Lutterkort. Er denkt dabei keineswegs nur an sich und seine Kumpel: »Was ist denn, wenn Arminia eines Tages mal wieder absteigt. Gegen eher unattraktive Teams ist die Stehplatztribüne hinterm Tor dann pickepacke voll und auf den anderen drei Seiten: Fußballfriedhof Bielefeld. Das ist dann genau das, worüber wir uns früher in Düsseldorf lustig gemacht haben.«
Das alte Rheinstadion der Landeshauptstadt gehört zu den unzähligen Spielstätten, die Axel Lutterkort in mittlerweile 33 Jahren auch jenseits der »Alm« gesehen hat. »13 oder 14 Auswärtsspiele pro Saison müssen immer noch sein.« Mit einem kleinen Unterschied: Zog er früher noch in kompletter Fan-Montur inklusive von Ehefrau Marion gestricktem Pulli los, verbindet der selbstständige Kaufmann die Fahrten in die Fremde heute auch schon mal mit einem Geschäftstermin. Fanclub-Mütze und DSC-Schal werden dann eben erst hinterher angelegt.
Trotzdem war seine Kutte aus den wilden 70ern vor zwei Jahren wieder in aller Munde. Als Arminias Fan-Beauftragter Christian Venghaus zur großen Jubiläums-Ausstellung auf dem Kesselbrink noch Erinnerungsstücke suchte, bot Axel Lutterkort seine beigefarbene Cordjacke mit Aufnähern aller Bundesliga-Vereine, diversen Stickern und einem gestickten DSC-Schriftzug an. »Christian ist fast hinten 'rübergefallen, hat sofort zugegriffen, und dann hing das Ding den ganzen Sommer über im Museum.«
Dort hätte auch Lutterkort selbst berichten können - von großen Erfolgen und bitteren Niederlagen. Seit 1974 war er immer dabei, wenn Arminia für Furore sorgte. Als die »Blauen« den Aufstieg trotz eines 4:0 im Hinspiel gegen die 60er erst in München (0:4) und dann in Frankfurt (0:2) noch verspielten, »flogen im Hofbräuhaus die Stühle«. Als Arminia in Dortmund 1:11 unterging, ist er »bis zum bitteren Ende« auf der Tribüne geblieben. Und als die Middendorp-Elf in Neunkirchen mit einem 4:0 die Zweitliga-Rückkehr perfekt machte, »habe ich mit meinem Kumpel Jürgen die Kabine gestürmt und mit den Spielern eine Sekt-Dusche genommen«.
Axel Lutterkort macht kein großes Aufhebens darum. Aber irgendwie gehört er dazu, hat mit diesem Trainer Kaffee getrunken, mit einem anderen aber auch schon die ganze Nacht Bier. Auf der »Alm« ist er vom alten Block drei damals in Block neun gewechselt und schließlich in Block sechs, als die alte Nordtribüne abgerissen wurde. »Jedes Mal dachten wir, dass es nie wieder so schön wird wie vorher. Aber irgendwie ist es dann immer doch wieder gut geworden.« Vielleicht auch jetzt. Freiwillig werden sie ihren Platz nicht räumen: »Wir bleiben, bis der Bagger kommt.« Der Umzug in Block zwei ist aber beschlossene Sache. Ein Sitzplatz kommt auch mit knapp 50 nicht in Frage, denn der ist und bleibt für die vier Buchstaben - oder einen mehr.

Artikel vom 27.01.2007