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Voraussichtliche Konzertdauer: 20 Stunden!

Marathonaufführung: Erik Saties »Vexations - Quälereien« am 31. März in Hornscher Kirche

Horn-Bad Meinberg/Kreis Lippe (SZ). »Moderne Musik ist Instrumentenstimmen nach Noten.« Was Igor Strawinsky mit diesem Satz gemeint hat, können Neugierige am Palmsonntags-Wochenende, 31. März/1. April, in der evangelisch-reformierten Kirche zu Horn erleben. Dort wird das Klavierstück »Vexations« des französischen Komponisten Erik Satie (1866 - 1925) aufgeführt. Voraussichtliche Konzertdauer: 20 Stunden!

Horns Gemeindepfarrer Maik Fleck und mehr als 15 Pianisten streben mit dem Nonstop-Konzert keinen Eintrag ins Buch der Rekorde an. Sie leiten mit der Aufführung die Karwoche ein und weisen auf das nahende Osterfest hin.
Das französische Wort »Vexations« heißt übersetzt »Quälereien«. Das Konzert werde mit seiner statischen Eintönigkeit die Klavierspieler ebenso wie die Zuhörer quälen, kündigt die Lippische Landeskirche an. Beide würden auf eine harte Geduldsprobe gestellt werden und nach einer gewissen Zeit - je nach Durchhaltevermögen - das Ende herbeisehnen. Vor diesem Hintergrund möchte Pfarrer Maik Fleck das Musikprojekt als Anregung verstanden wissen, um über menschliches Leiden und das Leid Jesu nachzudenken. Zudem würden sich die nächtlichen Konzertstunden wie auch die Kirche als Veranstaltungsort für eine musikalisch inspirierte Meditation eignen. Pfarrer Fleck zum Motiv, das Wagnis einzugehen, die »Vexations - Quälereien« in voller Länge aufzuführen: »Das Stück besteht aus Wiederholungen und spiegelt so die moderne Welt wider: die Monotonie von Fließbandarbeit, das tägliche Einerlei, die Massenproduktion und den Konsumzwang«. In den scheinbar endlosen Wiederholungen der unharmonischen Akkorde Saties finde der Zuhörer nicht die Geborgenheit liebgewordener Gewohnheiten, sondern die Quälerei modernen Lebens. Ein geeigneterer Zeitpunkt für das Konzert als das Palmsonntagwochenende am Beginn der Karwoche sei kaum vorstellbar, ist Pfarrer Fleck überzeugt: »Menschliches Leid in sinnloser Monotonie und Jesu einmaliges und befreiendes Leiden werden im Zeitraum dieser Woche gegenübergestellt.« »Vexations« besitze den zweifelhaften Ruhm, längstes Musikstück der Klavierliteratur zu sein. Je nach Temperament der Musiker dauere eine Aufführung 14 bis 28 Stunden. Das Stück bestehe aus nur wenigen Notenzeilen, die dasselbe Thema variieren. Die ungeheure Dauer komme durch Saties schikanöse Anweisung zustande, diese Zeilen 840-mal in sehr langsamem Tempo zu wiederholen. Das Stück sei vermutlich nie für eine Aufführung geschrieben worden. Satie habe es 1893 als höhnische Abrechnung mit seinem Unterricht am Pariser Konservatorium komponiert.
Die Idee einer Hornschen »Vexations«-Aufführung entwickelte Pfarrer Fleck vor einem Jahr gemeinsam mit den beiden damaligen Musikstudenten und heute angehenden Lehrern Antje-Karina Tölle und Carsten Gerwin (wir berichteten am 16. Dezember 2006).
Zuhörer können das von 18 bis etwa 14 Uhr dauernde Konzert jederzeit besuchen und es verlassen, wenn sie sich genug gequält fühlen. Wer möchte, bringt sich eine Schlafgelegenheit mit und übernachtet in der Kirche. Pfarrer Fleck: »Wer sich dafür anmeldet, erhält morgens ein Frühstück.« Wer nicht Klavierspielen kann, aber dennoch mitwirken möchte, kann die Wiederholungen zählen und nach jeder vierten Repetition eine Kerze (insgesamt 210) entzünden. Um die Wiederholungen zu registrieren, werden mittels Computer und Mausklick nach und nach auf einer Leinwand die 840 Worte eingeblendet, die Vers 30, Kapitel 19 des Johannes-Evangeliums vorausgehen.
Interessierte Mitspieler und Zähler wenden sich an Pfarrer Maik Fleck, %  0 52 34 / 24 39,
oder: m.fleck@meinekirche.info

Artikel vom 27.01.2007