25.01.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Mit Vollgas in der Erfolgsspur!

WB-Serie Sportasse: Sarah Klemm ist die Top-Torjägerin des Bezirksligisten SC Isenstedt

Von Tina Klostermeier
Lübbecke/Isenstedt (WB). »Sarah, Du musst eigentlich zum Fußball!«, stellte der Sportlehrer der damals 15-jährigen Hobbyfußballerin fest - und leitete damit ihren Senkrechtstart im Damen-Fußball ein. Heute ist Sarah Klemm 20 Jahre »alt« - und mit ihren 21 Treffern in der Hinrunde die erfolgreichste Torjägerin des viertplazierten Bezirksligisten SC Isenstedt.
Thierry Henry ist das Idol von Sarah Klemm - auch wegen seiner Abseitsschwäche.

Dem Rat ihres Sportlehrers ist die ehemalige Gesamtschülerin prompt nachgekommen. Sarah wohnte damals noch in Holsen und hat das Training der Mädchenmannschaft in Tengern besucht. Obwohl die Mädchen nicht schlecht spielten, war Sarah noch nicht sehr überzeugt. Erst durch den Freund ihrer älteren Schwester kam Sarah mit 16 Jahren zufällig nach Isenstedt. »Eigentlich war meine Schwester damals mehr am Fußball interessiert als ich. Schon lustig, dass ich es letztendlich durchgezogen habe und nicht sie!« Die Entfernung von Hüllhorst nach Isenstedt war zwar eine Hürde für die junge Spielerin ohne Autoführerschein, jedoch kein Hindernis.
Durch Disziplin und Ehrgeiz gelang es Sarah sehr bald, ihre taktischen Defizite auszugleichen. Ihre Stärke lag schon damals in ihrer Schnelligkeit, die auch Trainer Detlev Schaffer von Anfang an zu schätzen wusste: »Sarah ist unheimlich schnell und sie fackelt nicht lange vorm Tor. Entweder ist er drin oder nicht.« Keine Frage: Es war sofort klar, dass Sarah in den Sturm gehört.
Das 1,60 Meter kleine, große Nachwuchstalent weiß sich seither durch Flinkheit und Intuition auf dem Rasen zu behaupten. Sarah wurde sofort in die Mannschaft integriert und fühlt sich bis heute sehr wohl in Isenstedt. Die Mädels haben jede Menge Spaß am Spiel und natürlich auch während der zahlreichen Wochenendaktivitäten, die nicht immer im direkten Zusammenhang mit Fußball stehen. Der Höhepunkt des Jahres ist für Sarah immer das bundesweite Beachsoccer-Turnier für Vereinsmannschaften in Cuxhaven, bei dem der sportliche Aspekt eher im Hintergrund steht, die 15 Mädels es aber dennoch ordentlich krachen lassen - abseits jeglichen »Zickenterrors«, wie man(n) ihn von Damenfußballmannschaften klischeehaft erwarten könnte. Klima und Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft sind super und die Trainingbeteiligung groß. Nur am Wochenende gibt es gelegentlich Schwierigkeiten, elf Damen aufzustellen, da die Spielerinnen, im Schnitt um die 20 Jahre alt, auch am Wochenende beruflich eingespannt sind.
Sarah befindet sich gerade im Endspurt ihrer Ausbildung zur Augenoptikerin bei Weymann und hofft nun auf eine Anstellung in der Region. Bisher hat sie nur wenige Antworten auf ihre Bewerbungen erhalten und blickt vorerst einer ungewissen beruflichen Zukunft entgegen.
Ihre Strategie lautet »Weiter suchen, hoffen und positiv denken!« Sarah möchte am liebsten ihren erlernten Beruf ergreifen und wäre dafür auch bereit, ihren Wohnort Lübbecke zu verlassen. Ob sie dann weiterhin Fußball spielen würde? »Keine Frage!« Der Sport biete ihr nicht nur Bewegung und Verausgabung, sondern auch einen Ausgleich zum Alltag und sie schätzt den Spaß am Spiel. Fußballerin als Beruf? Das bleibt für Sarah Klemm eher ein Traum(job), denn sie weiß, dass Frauen es ganz besonders schwer in diesem Metier hätten. Der Weg, bis frau vom Fußballspielen allein leben kann - einfach zu weit. »Männer dagegen werden entdeckt und schon geht es auf der Karriereleiter nach oben.« Zumindest für Sarah lässt sich Frauen- und Männerfußball nicht vergleichen, was weniger an der Technik liege, sondern viel mehr am Körperbau und Kraftvermögen. Vom Foulen hält Sarah überhaupt nichts: »Das ist doch feige und unprofessionell; ganz besonders das Trikot ziehen.« Die ehrgeizige Sportlerin setzt stattdessen lieber auf Schnelligkeit und ihren Eifer, immer das Beste aus sich herauszuholen. Nachwuchsspielern empfiehlt sie, mit Geduld und Spaß am Training aufzutrumpfen. A propos Nachwuchs: Zuwachs wünscht sich Sarah übrigens auch für ihre eigene Mannschaft, denn ein wenig sorgt sie sich doch schon mit Blick auf die Rückrunde.
Wenn die Lübbeckerin nicht gerade trainiert, geht sie gern mit Freunden ins Kino oder spielt Billard. Am Wochenende ist sie meistens in den beliebten Discos GoParc oder PW anzutreffen. Ein Vorbild hat Sarah Klemm auch schon gefunden: »Bei dem smarten französischen Nationalspieler Thierry Henry habe ich ähnliche Abseitsschwächen, wie ich selbst sie kenne, beobachten können. . .«, gesteht die pfiffige Blondine schmunzelnd.
Unterstützung in ihrem - in der ländlichen Region von Frauen immer noch nicht groß frequentierten - Sport bekommt Sarah von ihrer Familie. Bei Heimspielen schaut ihre Mutter gerne zu und ihr Vater, der selbst Fußball spielte und nach wie vor in ihrem Geburtsort in der Lausitz wohnt, freut sich besonders über Zeitungsausschnitte von Sarah.
Es gab aber nicht immer nur gute Nachrichten. Grund zur Besorgnis hatte Familie Klemm im Winter 2003, als Sarah sich während eines Hallenturniers einen Kreuzbandriss zuzog und ein dreiviertel Jahr pausieren musste. Sarah dachte schon an das Ende ihrer Fußballkarriere, doch dank ihrer Mutter, die Krankenschwester ist, und der guten Rehabilitation ist Sarahs Verletzung viel besser verheilt als zunächst von den Ärzten, die ihr den Ausstieg aus dem Sport nahe legten, erwartet. Trotzdem ist die Angst vor Verletzungen gewachsen, was ihr auch teilweise im Spiel anzumerken ist.
Ein anderes traumatisches Erlebnis war ein Ausrutschen im Strafraum, wobei sie eine Torhüterin ernsthaft im Gesicht verletzte. »Danach konnte ich eine Woche keinen Ball mehr treten«, erinnert sich Sarah an den Schock.
Ihr schönstes Tor erzielte die 20-Jährige im Jahr 2003 im heißen Aufstiegsspiel gegen Schweicheln: Es war der 3:2-Treffer in der 120. Minute bei 40 Grad im Schatten. Leider war die Mannschaft in einem zweiten Aufstiegsspiel gegen Pömbsen 2:1 gescheitert und hatte somit den Aufstieg verpasst. Da Sarah auf Grund ihrer Verletzung 2004 nicht dabei sein konnte, erfolgte erst 2005 der verdiente Aufstieg in die Bezirksliga, in der sich die junge Mannschaft inzwischen sogar auf den vierten Platz hocharbeiten konnte.
Das lustigste Ereignis war für Sarah ihr letztes »Kopfballtor«, ein unfreiwilliger Ballkontakt, der sie glatt umhaute. Nach einem verfehlten Doppelpass ihrer Mitstürmerin traf eine Gegenspielerin Sarahs Gesicht und die »Pille« landete im hohen Bogen im Tor - eine Pille, die den Schmerz schnell vergessen ließ. . .
Ihre Mitspielerinnen kennen ihre aufbrausende Art, denn wenn Sarah Fußball spielt, ist sie voll und ganz bei der Sache. Spätestens am nächsten Tag ist aber jede Streitigkeit vergessen. »Wir kennen uns eben alle sehr gut und das ist eine unserer Stärken«, betont die Stürmerin, die nun nach einer erholsamen Winterpause ab nächster Woche wie gewohnt montags und mittwochs in Isenstedt trainiert und sich auf die Rückrunde freut und vorbereitet. Mit Vollgas. In der Erfolgsspur. . .

Artikel vom 25.01.2007