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Der Winter lässt auf sich warten

Land- und Forstwirte besorgt - Reifen, Rodel und Mäntel bislang Ladenhüter

Von Manfred Köhler
Verl (WB). Rosen blühen immer noch, die Kamelien sind kurz davor und die Schneeglöckchen sind zu früh. Wer schnell friert, freut sich über die milden Temperaturen. Land- und Forstwirte aber sind gar nicht glücklich. Und in den Geschäften werden Wintermäntel, Pullover, Winterreifen, Schneeschieber und Rodel zu Ladenhütern. Der Winter wollte bislang einfach nicht kommen.

»Bei uns gilt bezüglich Schlitten und Schneeschieber das Prinzip Hoffnung«, sagt Reinhard Illies vom Haushalts- und Spielwarenladen Wittkemper. Etwa 30 Rodel hat er vor Weihnachten verkauft und hofft nun noch auf ein wenig Schnee: »Normalerweise gehen dann so 60 bis 100 Stück weg.« Ebenso schwer tun sich Herrenjacken und dicke Pullover, wie aus dem Textil- und Modegeschäft Kleinemas zu hören ist. »Eigentlich war das Wintergeschäft ganz gut, aber von den dicken, warmen Kleidungsstücken haben wir noch einiges da«, sagt Juniorchef Hans Kleinemas. Jetzt soll alles beim Winterschlussverkauf (22. Januar bis 3. Februar) raus. »Und dann kommt doch noch der Schnee und die Kunden haben sich preiswert eingedeckt«, lacht er.
Gar nicht zum Lachen ist indes den Reifenhändlern zumute. Während unter dem Einfluss der neuen gesetzlichen Vorgaben das Winterreifengeschäft bereits im Oktober kräftig brummte, ist es seit Mitte bis Ende Dezember fast völlig zum Erliegen gekommen. »Wir haben noch reichlich Ware auf Lager«, erklärt Bruno Brathun von reifen.com an der Gütersloher Straße. Gleiches ist von Mitbewerber Peter Gusinde (Nickelstraße) zu hören. Doch noch hoffen die Reifenhändler auf den Winter.
Und darauf hoffen auch die Landwirte, die mit Sorge das rasante Sprießen ihrer Frühsaaten beobachten. »Die Gerste ist schon viel zu weit und wird schon gelb«, klagt Ortslandwirt Josef Dresselhaus. »15 bis 20 Zentimeter hoch steht sie schon«, stellt Thomas Baumhöfer von der Kreisstelle Rheda-Wiedenbrück der Landwirtschaftskammer fest, »doppelt so hoch wie es zu dieser Zeit normal wäre«. Wenn der Winter doch noch komme, wären langsam sinkende Temperaturen wünschenswert. »Damit die Winterhärte in die Pflanzen zurückkehren kann«, erklärt er. Dann seien fünf bis zehn Grad minus über ein bis zwei Wochen in Ordnung und hielten auch die Läuse in Schach.
Gefürchtet sei indes unter den Landwirten ein Temperatursturz und eisiger Ostwind ohne Schnee, wie der Leiter der Kammer, Ulrich Bultmann, erklärt. »Und vor allem eine nasse Schneemasse, die zu einer festen Schicht zusammenbackt«. Dann drohe den Pflanzen darunter Sauerstoffmangel und damit Fäule und Schimmel.
So kurios wie der Winter, war für die Verler Bauern auch schon der Sommer und die Klimakapriolen machen die nächste Aussaat zum Lotteriespiel. »Soll man sich nach einem Trockenjahr auf ein weiteres Trockenjahr einstellen oder nicht?«, formuliert Baumhöfer das Problem. Die Entscheidung für das richtige Saatgut werde immer schwieriger, stellt er fest und erläutert: »Die Tendenz der Erwärmung ist deutlich. Während sich die Landwirte früher auf ein bis zwei trockene Jahre in zehn Jahren einstellen mussten, sind es heute etwa drei.«
Auch im Wald ist der grüne Winter nicht willkommen, wie Förster Klaus Windhaus erklärt. »Es ist viel zu nass und die Böden sind total aufgeweicht«, beschreibt er die Lage für die Forstwirtschaft. Wege und Ackerflächen seien oft nicht befahrbar. Deshalb könne dort kein Holz geschlagen werden, gefällte Bäumen blieben liegen und auch die Aufforstung sei nicht möglich. Etwa 40 Prozent der Waldflächen in Schloß Holte-Stukenbrock und Verl seien davon betroffen. Die Situation sei in diesem Jahr besonders schlimm, meint der Förster und hofft auf Frost. Sorgen machen ihm auch die jungen Bäumchen. »Wenn nach der Wärme im Frühjahr plötzlich Frost kommt, kann dieser Kulturen völlig zerstören.« Und auch auf die Borkenkäfer hat der Förster ein besonderes Auge. Während die Käfer normalerweise bei starken Frösten im Boden sitzen und unbeschadet überwintern, ziehen es viele vor, weiter in kranken Bäumen zu schmausen. »Wer eine Fichte mit starkem Harzfluss, vergilbten Nadeln oder trockenen Kronen sieht, sollte nicht lange fackeln, sie fällen und verbrennen«, sagt Windhaus.

Artikel vom 23.01.2007