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Bio-Waren vom Exoten zum Renner

NachfrageÊnach Öko-Produkten steigtÊgewaltig - Angebot stagniert - Engpässe befürchtet

Von Matthias Band (Text und Foto)
Löhne (LZ). Bio-Produkte sind begehrter denn je. Die Nachfrage stieg in den Jahren 2004 und 2005 um jeweils 15 Prozent und nochmals um 50 Prozent allein in 2006. Etwa 4,5 Milliarden Euro haben die Bundesbürger nach Schätzungen der Zentralen Markt- und Preisberichtsstelle im vergangenen Jahr für Bioware ausgegeben - ein boomender Markt, dem sich auch immer mehr Discounter öffnen. Wie sieht es in Löhne aus? Bekommt der Kunde überhaupt noch ausreichend Bio-Produkte?

Das war bitter für die Landwirte: Weil die EU keine festen Zusagen über die Höhe der Förderung machte, stoppten die Länder im Jahr 2006 alle Anträge auf Zulassung und Unterstützung der Bauern, die von konventioneller Produktion auf Bio umsteigen wollten. Wegen der fehlenden Subventionen können sich nun viele Landwirte die langwierige Umstellung nicht mehr leisten. Die Folge: Das Angebot im Inland wird knapper.
Trotz stagnierender Anbieterzahl gibt sich die Löhner Bio-Szene jedoch optimistisch - und von Engpässen spricht dort niemand. Der Marktkauf an der Albert-Schweizer-Straße will sein Bio-Sortiment demnächst sogar von derzeit 700 Öko-Produkten auf 2 700 ausbauen. »Es soll eine Art Shop im Shop werden. Ich hoffe, wir sind mit den Arbeiten noch vor Ostern fertig«, sagt Marktleiter Herbert Placke. Dann können die Kunden dort neben ökologisch hergestelltem Obst- und Gemüse auch Bio-Fleisch einkaufen.
Im Neukauf von Hans-Karl Otto an der Lübbecker Straße gibt es bereits ein breites Bio-Sortiment, das mehr als 1 000 Produkte führt. Hans-Karl Otto setzt bei den Bio-Artikeln auf die Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern. Er hat eine einfache Erklärung für die steigende Nachfrage: »Die Menschen ernähren sich bewusster und Bio-Produkte sind nicht mehr so teuer wie noch vor drei Jahren«, sagt Hans-Karl Otto.
Alles, was es zum Leben braucht und biologisch prodiziert wurde, gibt es auch im Fruchtboden-Laden an der Ulenburger Allee. Engpässe gibt es dort nicht. Inhaberin Irene Esser hat langfristige Verträge mit den Bauern im Kreis Herford oder mit ausgesuchten Bio-Anbauverbänden abgeschlossen. »Bei Supermärkten und Discounter kann ich mir aber schon vorstellen, dass der ein oder andere Artikel knapp werden könnte. Die müssen ja auch in ganz anderen Mengen disponieren als wir«, sagt Irene Esser.
Dass bei ihr Gurken und Tomaten zurzeit aus Spanien kommen, sei saisonal bedingt, erklärt die Bio-Expertin. Und Kartoffeln? Es hieß, sie könnten ab Mitte Januar nicht mehr in ausreichender Menge geliefert werden. »Was Grundnahrungsmittel angeht, müssen sich unsere Kunden keine Sorgen machen«, versichert Irene Esser. Zwar sei zum Beispiel Feldsalat dieses Jahr nicht in den Mengen vorhanden wie sonst, weil er wegen der milden Temperaturen zu schnell gewachsen sei, aber noch gebe es keine Engpässe.
Irene Esser ist schon lange im Bio-Geschäft. Sie arbeitet ausschließlich mit etablierten Anbauverbänden wie Bioland oder Demeter zusammen. »Das sind gewachsene Geschäftsbeziehungen. Wir können uns auf unsere Partner verlassen«, sagt Irene Esser. Damit ihre Kunden wissen, woher die Produkte stammen, haben alle ein Länderkürzel erhalten. »UL« steht dabei für Ulenburg. Das Kürzel kennzeichnet alle Biowaren, die direkt vor der Haustür gewachsen sind oder dort hergestellt wurden.
Dennoch mehren sich die Befürchtungen, Bio-Produkte würden knapp. »Immer mehr Menschen wollen sich umweltbewusst und mit natürlich angebauten Produkten ernähren. Außerdem ist die Nachfrage der Supermärkte im vergangenen Jahr stark angestiegen«, sagt Irene Esser. Angst vor der Billigkonkurrenz? »Nein, wir setzen auf die Kompetenz unseres Personals und die Qualität unserer Produkte. Bei uns lassen sich zum Beispiel auch Allergiker gezielt über verträgliche Speisen beraten«, erläutert Irene Esser.
In den großen Märkten, auch in den Discountern, ist die Ware allerdings preiswerter, was an den Mengen liegt, die sie abnehmen. Manche Ketten haben mittlerweile eigene Labels etabliert (»Biowertkost« bei Edeka oder »Bio Bio« bei Plus). Und alle dürfen das einheitliche Bio-Siegel tragen. Da kann es jedoch Unterschiede geben: Die EU-Verordnung 2092/91 gibt nur einen Mindeststandard vor. »Die deutschen Verbände wie Demeter und Bioland stellen viel höhere Anforderungen, zum Beispiel an den Tierschutz, und sie limitieren die Zusatzstoffe«, erklärt Bernhard Burdick von der Verbraucherzentrale NRW.
Konsumenten haben es daher immer schwerer, sich im Dschungel der verschiedenen Zertifikate zurechtzufinden. Die Verbraucherzentrale rät deshalb, die Anbieter offensiv zu fragen, wo und wie die Produkte hergestellt werden, und den Druck zu erhöhen, um mehr Transparenz zu erhalten.

Artikel vom 23.01.2007