22.01.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Angriff auf die Lachmuskeln

Winterstück der Freilichtbühne »Job Suey« feiert gelungene Premiere

Von Sonja Gruhn
(Text und Fotos)
Nettelstedt (WB). Spritzig, turbulent und temporeich ging es auf der Bühne im Nettelstedter Spielerheim zu. Mit der Boulevardkomödie »Job Suey oder Kein Dinner für Sünder« von Edward Taylor traf die Spielgemeinde den »richtigen Nerv« beim Publikum und Regisseur Jörg Röding bewies ein »glückliches Händchen« bei der Wahl der Darsteller.

Die Geschichte um Banker Jim Watt, der seinem puritanischen Chef McGregor eine Ehefrau präsentieren muss, um seinen Job zu behalten, lässt keine Chance für Verwechslung und Verwirrung aus. Jims Freundin Helen ist empört über den Vorschlag, seine Frau zu spielen - und verlässt ihn kurzerhand. Doch was könnte schlimmer sein als keine Ehefrau? Drei Ehefrauen auf einen Schlag. Und so kommt Jim in argen Erklärungsnotstand.
In der Rolle des Bankers Jim zeigte sich Volker Kracht nicht nur als selbstbewusster charmanter Geschäftsmann, sondern ließ auch dem »Kind im Manne« Platz. Und so erlebte das Publikum den »showdown« in Boxershorts, mit der (aus der Müslipackung) gezogenen Wasserpistole und einem stechenden Blick, der selbst Clint Eastwood beeindruckt hätte. Doch stieß ihn Julia Röding, als Freundin Helen, schnell von diesem »Pferd« herunter, bevor er in den Sonnenuntergang reiten konnte. Ihre mit viel Witz und Ironie gespickten Bemerkungen trafen zielgerade und spitz wie ein Pfeil ins Schwarze und ihre Wutausbrüche ließen »Eastwood« gänzlich zurück in die Müslipackung verschwinden. Allerdings nicht ohne eine abkühlende Dusche aus der Blumenvase.
Nichts aus der Ruhe dagegen scheint Jims Putzfrau Edna zu bringen. In dieser Rolle brillierte Kerstin Kottkamp, die prädestiniert für »staubtrockenen« Humor ist. Auch als Edna im knallroten »Arbeitsdress« oder aufgedonnert wie »Madonna für Farbenblinde«, darf sie ihr Herz wieder auf der Zunge tragen, aus dem Chaos das »Disuster« machen und versuchen, »Tornados« zu servieren. Dabei weiß man nie genau, ob ihre Bemerkungen wirklich ihrer Naivität entspringen oder, eher aus einer Überlegenheit heraus, ironischen Ursprungs sind.
Schon als Putzfrau recht gewöhnungsbedürftig, scheint sie jedoch als »gemietete« Ehefrau die letzte Rettung für Jim zu sein. Dieser kann sein Glück gar nicht fassen, wie der Gesichtsausdruck von Volker Kracht mehr als deutlich beschreibt. Sein Gemütszustand bewegt sich ständig zwischen Verzweiflung, Entsetzen und Ungläubigkeit, als Edna auf seinen Chef McGregor und dessen Frau Nancy trifft. Hans Arning verkörpert den moralpredigenden Chef und zeichnet dabei mit Monika Bachmann als Gattin eine herrliche Karikatur auf den amerikanischen Lebensstil und die abweichenden Vorstellungen von Humor.
Das Erstaunen der beiden kennt keine Grenzen, denn Jims vermeintliche Ehefrau Edna, deren purer Anblick Tränen in die Augen treibt, scheint ein Gespür für gute Investitionen zu haben. Erst strebsames Mauerblümchen, dann knallhart kalkulierender Vamp - Lena Bachmann gab ein überzeugendes Debüt auf der Winterbühne. Die 16-Jährige schlüpfte in die Rolle von Jims Angestellter Terri Pringle, die ohne Brille blind wie ein Maulwurf ist und neben ihrem Job nicht nur das Theaterspielen sondern auch ihren Chef liebt. Als Souffleurin fungierte Sylvia Siebarth. Fazit: die Nettelstedter garantieren mit ihrem Wintertheaterstück Unterhaltung pur.

Artikel vom 22.01.2007