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Wort zum Sonntag

Heute von Diakon Gerhard Stille, Brakel

Diakon Gerhard Stille
Liebe Geschwister,

ist es Ihnen auch schon mal so ergangen, dass Sie sonntags über ein Wort aus dem Evangelium gestolpert oder hängen geblieben sind? So ergeht es mir mit dem Wort »Freiheit«, das Jesus gebraucht. Hören wir, in welchem Zusammenhang dieses Wort fällt. Jesus kam nach Nazareth, wo er aufgewachsen war und las in der Synagoge aus der Schrift, die man ihm reichte, vor: »Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt, er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.«
Im Internet habe ich mir nur die ersten zufällig gefundenen drei Predigten dazu durchgelesen und war erschrocken. Ging doch allen drei katholischen Predigern der gleiche Gedanke durch den Kopf! Kirche und Freiheit, wie geht das zusammen? Zur Ehrenrettung der Kirche muss ich sagen, mit der Freiheit hat nicht nur die Kirche ihre Schwierigkeiten. Es ist ein Problem der Menschheit insgesamt. Wir sind tief gefallen, nicht zuletzt in Sünde und haben die behütete Freiheit des Paradieses verspielt. Dennoch besitzen wir die Würde, frei sein zu dürfen.
Ich glaube, zur Zeit habe ich auch gar keine Kraft, gegen alles anzukämpfen. Dazu kommt, dass Angst und Wunsch nach Sicherheit auch mich wie jeden anderen ganz tief prägen. Dennoch: Jesus hat, nicht zum Spaß oder nur so zum Gerede Freiheit geschenkt, aber Freiheit hat es in sich. Dieses Geschenk der Freiheit, das Jesus ankündigte, stieß auf massive Ablehnung und brachte ihm den Tod. Wer andere befreit, nimmt dem Besitzer die Pfründe, ja die Existenzberechtigung.
Von einer anderen Seite her betrachtet, muss ich mir auch sagen lassen, dass auch ich die Möglichkeit besitze, mich von allem selbst frei zu machen, um nichts anderes als Gott zu haben, wie es Franz von Assisi und andere taten.
Ich stehe aber heute so da, wie ich eben bin. Den Teil der Freiheit, den ich heute ergreifen kann, ohne gleich meine Existenz zu gefährden, ist, dass ich die Freiheit zum Guten ergreife. Freiheit, die Gott meint, ist ja nicht, alles tun zu dürfen, was ich will, sondern alles Gute tun zu sollen, was ich kann.
Solange man mich nicht daran hindert, können mich nur Faulheit oder Angst, Unglaube, Mängel oder Alter und Krankheit bremsen. Aber es bleibt eine göttliche Mahnung an die Mächtigen. Gerade der geweihte Jesus bot Freiheit an, er nahm jedes Risiko dafür in Kauf. Er baute Angst und Absicherung, Kirchenrecht und Gottesdienstvorschriften seiner Zeit, nicht als ein Phantom auf, gegen das keiner ankämpfen kann, sondern er überging sie und ging das Risiko ein, mit seiner ganzen Intention auf den einzelnen Menschen einzugehen und barmherzig und großzügig zu sein. Ohne Risiko keine Freiheit, ein hoher Preis. Jesus hat viel gewagt, hat er verloren oder hat er gewonnen? Möchten wir mit unserer Kirche gewinnen? Dürfen wir Risiko eingehen? Wieviel Kraft habe ich, Risiko einzugehen?
Es wünscht Ihnen einen gesegneten Sonntag und gute Gedanken,

Diakon Gerhard Stille

Artikel vom 20.01.2007