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Wort zum Sonntag

Heute von Klaus-Georg Verhoven

Klaus-Georg Verhoven ist Sozialpädagoge im Ruhestand.

An diesem 3. Sonntag im Jahreskreis hören wir beim Evangelisten Lukas eine Geschichte: Da findet ein Sabbatgottesdienst in der Synagoge von Nazareth statt. Alles verläuft wie viele Male sonst auch: Gebete werden gesprochen, Psalmen rezitiert, ein Abschnitt aus der Heiligen Schrift wird vorgelesen. Die Frommen, die Gläubigen, hören das Wort der Verheißung, das ein Prophet Jahrhunderte vorher verkündet hat. Einer aus der Gottesdienstversammlung setzt sich nach dem Vorlesen des Schrifttextes und beginnt mit einer Auslegung.
So verläuft jeder normale Sabbatgottesdienst - und keiner der Versammelten rechnet mit etwas Außergewöhnlichem. Denn jeder erwachsene Mann hat das Recht, eine solche Auslegung zu halten, wenn man auch vorrangig den Schriftgelehrten diese Aufgabe überlässt.
Trotzdem geschieht an diesem Sabbat in Nazareth etwas Besonderes. Jesus von Nazareth ist dieses Mal der Mann, der die Schrift auslegt. Er gebraucht in seiner Auslegung die ungewöhnlichen Worte: »Heute hat sich das Wort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.« Diese Worte rufen bei den Zuhörern Ablehnung und Schrecken hervor. So wörtlich, so hautnah, so treffend kann die Prophetenbotschaft doch nicht gemeint sein. Das hätte ja glatt etwas mit ihnen selbst zu tun. Wenn dieser Jesus auch begnadet redet - er ist doch einer von ihnen, jemand, den sie kennen. Wenn Gottes Verheißung sich erfüllt, dann muss das doch anders, etwa mit großen Zeichen und Wundern passieren - aber nicht so!
Die Reaktion der Zuhörer in der Synagoge von Nazareth auf das Geschehen ist eigentlich nicht verwunderlich. Der Evangelist Lukas beschreibt hier im Bild das Wirken Jesu und der frühen Kirche und die Reaktion der Menschen darauf. Er beschreibt die Verkündigung der Frohen Botschaft an die Juden, die Ablehnung der Botschaft Jesu durch das Volk Israel und die Hinwendung der jungen Kirche zu den Heiden.
Jesus predigt in der Synagoge. Er bewegt sich in den Bahnen der jüdischen Religiosität. Er bringt die Botschaft des Mose und der Propheten geistmächtig zur Sprache - er ist, so sagt es der Evangelist Lukas, der von Gott Gesandte, der, auf dem Gottes Geist ruht.
Aber seine Botschaft ist unerklärlich; er spricht von der Heilsbotschaft an die Armen, er versteht Erlösung konkret als Befreiung von sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zwängen, so wie es der Prophet verkündet hat.
Und das »Heilsjahr«, das Gnadenjahr des Herrn beginnt jetzt und heute, das Heil verwirklicht sich bereits dann, wenn Menschen die Botschaft hören, auch wenn die Verheißung des Heils immer noch größer ist als das, was sie bereits erfahren. Und all das ohne große Wunder und ohne besondere Zeichen, ohne offensichtliche Bestätigung dieser Zusage. Jesu Wort ist alles. Das, was mit ihm und in seinem Tun sichtbar wird, muss genügen.
Liebe Leser! Ich denke, wir sprechen jetzt schon lange von uns. Was damals in Nazareth geschah, geschieht immer wieder auch bei uns. Gott ist nah und anwesend, wenn bei uns im Gottesdienst sein Wort verkündet wird. Hier und heute wird uns sein gegenwärtiges und wirksames Heil zugesagt - die Zusage, dass wir sein Heil mit Sicherheit erwarten dürfen und das jetzt schon begonnen hat. Vom Stuhl reißt uns diese Botschaft nur selten. Eher reagieren wir mit Gleichgültigkeit. Unser bürgerliches Leben wird nur unwesentlich durch diese Botschaft verändert.
Wir alle leben und fühlen uns wohl in einer Gesellschaft, die kaum noch von christlichem Gedankengut geprägt ist, in einer Gesellschaft voll Spannung und Streit, von Gleichgültigkeit und Lieblosigkeit, voller Anonymität und Egoismus, einer Welt des Wohlstands und der Selbstzufriedenheit, einer Welt, in der sich jeder selbst der Nächste ist.
Vielleicht sehnen wir uns nach einer anderen, einer besseren Welt; aber was können wir schon tun?
Als die Leute in der Synagoge in Nazareth die Frohe Botschaft hören, da erfüllt sich die Verheißung, so sagt es der Evangelist Lukas.
Wo sich heute christliche Gemeinde versammelt, wo sein Wort verkündigt wird, da beginnt Gottes Heil, auch wenn wir es nicht wahrhaben, und da wirkt sein Geist, auch wenn wir zunächst nichts davon spüren.
Sein Heil beginnt immer dann, wenn wir als christliche Gemeinde sein Heil weitertragen und unsere oft so unheile Welt etwas heiler machen. Glaube heißt dann: Handeln in seinem Geist.
Ich wünsche uns allen an diesem Wochenende und in der kommenden Zeit solche Begegnungen mit Gott und seiner Botschaft, damit wir zu uns und zum anderen finden und unsere Gesellschaft etwas menschlicher gestalten. Dazu Ihnen allen einen schönen Sonntag.
Ihr Klaus-Georg Verhoven

Artikel vom 20.01.2007