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»Wir fahren ständig am Limit«

Hilfe für psychisch kranke junge Menschen - Zukunft der Ambulanz ungewiss

Von Dirk Bodderas
Rheda-Wiedenbrück (WB). Kurz nach ihrer Eröffnung im Jahr 2002 wurde sie nur »die Klappse« genannt. Doch die Menschen lassen sich aufklären. Heute sind die Ambulanz und Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Osnabrücker Weg aus der Gesundheitsversorgung nicht mehr wegzudenken. Dennoch: Die vier Mitarbeiter der Ambulanz sind verunsichert.

Noch immer hat der Zulassungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen für den Regierungsbezirk Detmold nicht darüber entschieden, ob und in welchem Umfang die ambulanten Behandlungen durch die gesetzlichen Krankenkassen auch nach dem 31. März finanziert werden. Damit sitzen - wie bereits Anfang 2006 - die Mitarbeiter der Ambulanz erneut »auf heißen Kohlen«, schließlich ist der Antrag bereits im Sommer 2006 gestellt worden. Für die Leiterin der Ambulanz und Tagesklinik, Dr. Ingrid Vogel (Ärztin für Kinderheilkunde, Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapeutin), die mit dem 65. Geburtstag in den Ruhestand geht, und deren Nachfolgerin, Dr. Kathrin Hauschild, eine unhaltbare Situation. Es sei zu befürchten, dass die jungen Leute für die ambulante Behandlung ins Haupthaus nach Hamm reisen oder sich auf den einzigen im Kreis Gütersloh niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiater oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten »verteilen« müssen. Auch die Entscheidung, welche Patienten wann in die Tagesklinik aufgenommen werden, wäre deutlich erschwert, heißt es.
Kleiner Trost: Unter den Kürzungen im Gesundheitsbereich hat die zum Westfälischen Institut Hamm gehörende Einrichtung personell bislang nicht gelitten.
Allein 2006 wurden in der Ambulanz 1780 »Behandlungsscheine« erbracht - eine enorme Steigerung von mehr als 70 Prozent gegenüber 2003. »Unsere Arbeit hat sich herumgesprochen, die Ressentiments nehmen ab«, erklärte Dr. Ingrid Vogel im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT.
Besonders erfreulich: Mit Bekanntwerden der Einrichtung sank die Zahl der akut selbstmordgefährdeten Jugendlichen kontinuierlich, denn sie können jetzt früher behandelt werden. Dennoch gilt - aufgrund der »Scheinzahlbegrenzung« seit Sommer 2006 und der ungewissen Zukunft der Ambulanz - seit Ende vergangenen Jahres ein Aufnahmestopp. Nur Notfälle (akute Suizidgefahr, Psychosen) werden noch angenommen.
»Auch in der Tagesklinik fahren wir ständig am Limit«, so Dr. Ingrid Vogel. 2006 wurden 50 junge Menschen teilstationär zum Beispiel wegen Angst- und Zwangsstörungen oder Depressionen behandelt - bei einer durchschnittlichen Dauer von 50 Werktagen zu je acht Stunden. Und für die zwölf Klinik-Plätze für junge Leute im Alter von sechs bis 17 Jahren gibt es eine lange Warteliste mit derzeit 25 Patienten. Grundvoraussetzung für die tagesklinische Behandlung ist die Einbindung des Patienten in ein »tragfähiges soziales Netz«. Zu den zehn festen Mitarbeitern der Einrichtung gehören zwei Ärztinnen, ein Psychologe und zwei Lehrer. Dr. Ingrid Vogel: »Der Bedarf an Betreuungsplätzen steigt weiter, trotz zurückgehender Geburtenzahlen«.

Artikel vom 18.01.2007