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»Ehrbares Handwerk« sucht Nachwuchs

Gesellenverein von 1800 hat nur noch wenige Mitglieder -ÊTradition aus der Zeit der Zünfte

Von Klaudia Genuit-Thiessen
Halle (WB). Wenn der liebe Gott den Wahlspruch der Haller Handwerker ernst nehmen will, beschert er ihnen Nachwuchs. »Gott segne das ehrbare Handwerk« lautet das Motto des Handwerker-Gesellenvereins Kreis Halle. Die Institution von einst, einer der ältesten Vereine im Altkreis, hat nur noch eine Handvoll Mitglieder.

»Es wäre wirklich schön, wenn sich Handwerksgesellen bereit erklärten, bei uns mitzumachen«, hofft Vorsitzender Fritz Bökenkamp (74) auf Nachwuchs, der die Tradition bewahrt und ein Herz hat für die Pflege der Geselligkeit in den Reihen des Handwerks. Vier Tischler, ein Elektriker, ein Schneider, ein Dreher und Malermeister Bökenkamp, alles Herren im gesetzten Alter, bilden heutzutage das Trüppchen der ehrenwerten Gesellen, die sich nach wie vor »die Hebung und Förderung des Handwerks« zum Ziel gesetzt haben. Mitglied kann laut Statuten jeder »im Kreise Halle wohnende und im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte sich befindende Handwerksgeselle werden«.
Der Verein - oder ein Vorläufer - soll schon um 1800 gegründet worden sein. Die erste Fahne aus dem Jahr 1840 zeigt jedenfalls auf zartblauem Grund grün-goldene, handgestickte Efeublätter und die Aufschrift »Vivat es lebe der Gesellen-Verein«.
Gleichwohl ist das Bündnis der Handwerker vermutlich schon zur Zeit der Zünfte aus der Taufe gehoben worden. Damals schlossen sich nämlich überall Handwerker zusammen, um kranken, ältere und wandernde Gesellen zu unterstützen.
Die alte Fahne, eine »neue« aus dem Jahr 1876, zwei Gedenktafeln für die Gefallenen der beiden Weltkriege und eine Fotografie aus dem Jahr 1910 sind erhalten geblieben. In einem Fahnenschrank für diese Schätze aus längst vergangenen Tagen kündet auch ein kunstvoll gedrechselter hölzerner Zunftstock vom früheren Glanz: Wie einst das Schwert zum Ritterschlag benutzt wurde, so schlugen »die Handwerksgesellen mit dem Stock dreimal kräftig auf den Tisch, wenn ein Neuling in ihre Reihen aufgenommen wurde«, wie Bökenkamp berichtet.
Eine Holztruhe mit handgefertigten Schlössern bewahrt weitere Schätze von einst, darunter Fahnenbänder. Erhalten geblieben ist beispielsweise auch ein altes Protokollbuch, das von den zahlreichen Versammlungen und Zusammenkünften berichtet. Und von den Wahlen zum Vorstand. Beständigkeit ist jedenfalls eine Tugend, der sich der Handwerker-Gesellen-Verein durchaus verpflichtet weiß.
Der Haller Fritz Bökenkamp ist schon seit 1968 Vorsitzender. Sein Vorgänger, Herren-Schneidermeister Karl Koch, hatte das Amt 1921 übernommen und 47 Jahre lang inne.

Artikel vom 17.01.2007