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»Walfische« mit Überlänge

Rotorblätter beflügeln Verfahrensmechaniker zu Feinarbeit

Wie der helle, stromlinienförmige Rotorflügel so im Raum hängt, nur von zwei schweren Seiten gehalten, drängt sich dem Betrachter zwangsläufig eine Assoziation auf: Walfisch.Die Schutzausrüstung ist Pflicht in Sebastian Staudys Beruf. Der 21-Jährige ist Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik.
Imposante 44 Meter ist der frisch gefertigte Rohling lang. Das wirkt selbst in der riesigen Fertigungshalle, in der bequem zwei Fußballfelder Platz finden würden, noch immer gewaltig groß. Ein Blauwal misst etwa 30 Meter. Dafür wiegt er mindestens zehnmal so viel wie eines der schlanken Blätter. Dank der Verwendung von Glasfasern und Karbon bringt ein einzelner Flügel nicht einmal 6,5 Tonnen auf die Waage.
Sebastian Staudy ist von der Größe der Flügel, mit denen er zu tun hat, noch immer beeindruckt. Seit dreieinhalb Jahren arbeitet der 21-Jährige in der Rotorblattfertigung eines Unternehmens im brandenburgischen Lauchhammer. »In meiner Lehrzeit habe ich vor allem Mülltonnen und Regentonnen aus Plastik hergestellt. Da haben die Rotorblätter hier ein ganz anderes Kaliber«, sagt der Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik.
Die Flügel der Windenergieanlagen werden in der Firma aus drei Teilen gefertigt: Zunächst werden Glas- oder Kohlefasermatten zugeschnitten, in eine Flügelschale eingelegt und anschließend mit Kunstharz verbunden. Nachdem das Gemisch ausgehärtet ist, werden die Rotorblatthälften zusammengeklappt und verklebt. Ein langer Karbonstab mit Querverstrebungen sorgt für die Stabilität des Hohlkörpers und hält die beiden Hälften zusammen.
Sebastian Staudy arbeitet in der Endfertigung der Produktion. Er verpasst den Rotorblättern den letzten Feinschliff. Denn wenn die frisch geformten Flügel zu ihm gebracht werden, sehen sie noch ziemlich roh aus. An der Naht, an der die beiden Hälften zusammengefügt wurden, stehen zum Beispiel Teile der Glasfasermatten über. »Das schneiden wir dann ab oder flexen es weg«, so Staudy. Er beseitigt auch die kleinen Dellen, die die Streben des Mittelstücks in die Außenhaut drücken sowie kleinere Blasen und Kratzer, die beim Backen der Form entstehen können. Wenn alle Unregelmäßigkeiten behoben sind, wird das Rotorblatt mit einer wasserabweisenden Schutzscbicht angestrichen und abschließend noch einmal lackiert.
Bei der körperlich anstrengenden Arbeit an den Flügeln ist durchaus Fingerspitzengefühl gefragt, Millimetergenauigkeit am 44 Meter langen Blatt. »Im vorderen Teil darf die schmalere Flügelkante nicht breiter als einen Millimeter sein«, sagt Staudy. Ansonsten könnte der Flügel beim Rotieren an der fertigen Windenergieanlage zu laut sein.
In der Endproduktion wird im Zweischichtsystem gearbeitet. Zwölf Stunden schleift und feilt Staudy täglich zusammen mit einem Kollegen an den Rotorblättern. Für drei Tage Arbeit bekommt er drei Tage frei. Damit ihm die Arbeit im Finishing mit der Zeit nicht zu eintönig wird, hat Staudy die Chance, sich auch in einem anderen Produktionsbereich auszuprobieren. Außer der Job-Rotation stehen dem jungen Mann Fortbildungen in der Zentrale des Konzerns offen. Etwa 90 Arbeitsstunden dauert es, bis aus einem Rohling ein fertiger Flügel geworden ist, der die Halle verlässt. Zwar könnte der gelernte Verfahrensmechaniker bei einem Windrad in der Ferne nicht erkennen, welche Flügel er bearbeitet hat. »Ob es eine Anlage von uns ist, sehe ich aber sofort. Das sind die mit den formschönsten Rotoren.«

Artikel vom 03.02.2007