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Tiefschläge und
Höhenflüge
einer Künstlerin

Knef-Leben überzeugend inszeniert

Von Sonja Gruhn (Text und Fotos)
Espelkamp (WB). Einen eindrucksvollen Blick in ihr Leben schenkte Hildegard Knef den Menschen mit ihrer Autobiografie »Der geschenkte Gaul«. Als Musical inszeniert, wurde es 2003, zwei Jahre nach ihrem Tod, erstmals aufgeführt.

Am Freitag war die Fassung von Anja Oeck in einer Co-Produktion des Park Theaters Augsburg und Euro-Studio Landgraf im Neuen Theater zu sehen. Klaus Siebers führte als Conférencier »Hanno« erzählend und singend durch das bewegte Leben der Knef, mit allen Höhen aber noch mehr Tiefen.
Seine Erzählung beginnt mit der Geburt von Hildegard Frieda Albertina 1925, die in den Augen ihres Vaters lieber ein Sohn hätte sein sollen. So resümiert Hilde: »Von nun an ging's bergab.« Zunächst erscheint der Ausspruch witzig, doch schnell zeigt die Geschichte den wahren Charakter dieser Worte. Denn nicht nur in ihrer Karriere muss sie immer wieder Tiefschläge einstecken. Gesundheitliche Probleme und häufig wechselnde Beziehungen ziehen sie immer wieder nach unten.
Wie eine scheinbar undurchdringliche düstere Wand wirkt das Bühnenbild von Karel Spanhak. Dafür sorgt die Bemalung des feinen Vlieses, hinter dem sich das Orchester verbirgt. Lediglich Marty Jabara ist mit seinem Flügel auf der Bühne präsent, mal am Rande, mal in die Szenen eingebunden. Seine geschickten Arrangements vermitteln den Eindruck, eines großen Orchesters. Am Ende erscheinen lediglich sieben weitere »versteckte« Musiker. Eine Treppe in der Mitte der Wand und eine Schiebetür werden als Auf- und Abgang benutzt, als Sitzgelegenheit oder Nische. Die Wand verwandelt sich durch Projektionen in graue Häuserreihen und bietet Platz für Bilddokumente aus Kriegstagen. Sie untermalen den Auftritt der 19-jährigen Hilde, dargestellt von Christiane Heinke.
Der Kriegsgefangenschaft entronnen, verschlägt es die zielstrebige junge Frau wieder nach Berlin. Die Stationen ihres Lebens lassen sie reifen. Ihr Haar wird kürzer, die Figur üppiger, sie tritt mondän und mit dem »Markenzeichen«, den künstlichen langen Wimpern, auf - selbst die Stimme verändert sich. Deutlich wird dies im zweiten Teil. Die gesungenen Worte scheinen aus tiefster Seele zu kommen.
Die Menschen, denen sie begegnet, werden von nur sechs weiteren Schauspielern dargestellt. Das Stück wirkt dramatisch und lebendig, bisweilen gar heiter. Partymusik und Tanz lockern ebenso auf wie die Auftritte von »Waltraud und Dietlinde« (Franziska Ball und Saskia Brzyszcyk), die mit Lockenwicklern und Trockenhaube eine Kabarettvorstellung im Frisiersalon geben. Ihre Kommentare über Hildes Krankheiten erinnern an »Frieda und Anneliese«. Doch liegen den Damen auch die Rollen der Marilyn Monroe und Marlene Dietrich. Vielfältig auch Martin Birnbaum, der den »Irren« ebenso herrlich schräg darstellt, wie den überdrehten amerikanischen Regisseur. Guido Weber überzeugt als kurzsichtiger »Schreiberling« und gibt auch als Hildes Ehemann »Tonio« eine gute Figur ab. »Die Welt ist ein offenes Meer«, »Für mich soll's rote Rosen regnen« und »Det ist Berlin« sind nur einige der Lieder, die in die Szenen eingebunden sind.
Hatte man erwartet, etwas mehr »Berliner Schnauze« zu hören, wurde man in diesem Punkt enttäuscht. Doch dank einer Leseprobe, die Hildegard Knef auf Schallplatten an die Verlage geschickt hatte, ertönen Passagen mit ihrer unvergleichlichen Stimme. Zitate spiegeln ihre Seele wider: »Das Glück kennt nur Minuten, der Rest ist Warteraum.« Von Krankheit und Leben gezeichnet hat sie ihren letzten großen Auftritt und wünscht sich vom Bundeskanzler nur noch eines: einen deutschen Pass.

Artikel vom 16.01.2007