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Delikate Liedkunst glamouröser Diven und verruchter Frauen

Helga Ziaja interpretierte Kurt Weill in Winkhausen als »Frau in Blau«

Von Andrea Auffenberg
Salzkotten (WV). Die Bühne schmücken schlicht ein Flügel, ein Tisch mit einer Karaffe und einer Tasse, ein Barhocker und ein Notenständer. In der Mitte steht Helga Ziaja im nachtblauen Samtkleid mit Federhaarschmuck, die schwarze Federboa lässig umschlungen und singt Lieder von Kurt Weill.

Dieser wird oft in einem Atemzug mit Bert Brecht genannt. Dass die Weillsche Musik jedoch noch wesentlich mehr als die »Dreigroschenoper« ausmacht, demonstrierte die Sängerin und Schauspielerin aus Weimar zusammen mit dem Pianisten Sebastian Roth am Samstagabend in der gut gefüllten, jedoch nicht ausverkauften Zehntscheune des Kulturgutes Winkhausen bei Salzkotten.
»Die Frau in Blau ist eine Mörderin der Herzen«, nennt die Chanteuse ihr Programm und lädt ein zu einer Kriminalstory quer durch die berühmtesten Lieder und Songs des Kurt Weill. »Die Frau in Blau« ist sie selbst, und dass es bei den Liedern allein nicht bleibt, macht gerade den Reiz ihres Auftrittes aus.
Gleich zu Beginn schon mit dem »Bilbao Song«, der den Bilbao-Mond (dort wo die Liebe wohnt) besingt und der »Moritat von Meckie Messer« zwei Highlights des kurzweiligen Abends. Zwischendurch streut die Sängerin geschickt Geschichten über verruchte Herzensbrecherinnen der 1920-er und 30-er Jahre ein, Geschichten über Frauen, die Komponisten wie Weill zu ihren Werken inspirierten. Da begegnet man dann glamourösen Diven wie Marlene Dietrich, Rita Hayworth, Vivian Leigh und Jean Harlow erfährt, dass Harlows Ehemann Paul Bern zwei Monate nach der Hochzeit Selbstmord beging, indem er sich vor dem Badezimmerspiegel mit ihrem Lieblingsparfüm übergoss und dann erschoss. Oder dass Vivian Leigh fluchte, Alkohol kippte und über ihren Filmpartner Clark Gable herzog.
Weills Lieder verlangen enormes schauspielerisches Können auf der Bühne sowie hohe Gesangskunst. Letzterem wird Helga Ziaja zwar nicht immer gerecht, jedoch gibt sie ihrer dunklen Stimme jenen verruchten Touch, den viele der Weill-Songs ausmachen. Zielsicher und geschmeidig vermag sie zwischen Ironie, Frivolem und Parodie zu pendeln, lotet stets gekonnt und mit Verve die glänzenden Höhepunkte eines jeden Songs aus. Ob nun »Nannas Lied« (Wo sind die Tränen von gestern Abend, wo ist der Schnee vom vergangenen Jahr) oder der »Alabama Song« aus »Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« - Helga Ziaja demonstriert selbstbewusst und mit umwerfender Präsenz delikate Liedkunst vom Feinsten und lässt die Botschaften spürbar dicht und beinahe greifbar werden. Dabei umgarnt sie das Publikum mit ihrem Lächeln und ihrer weichen Stimme, gibt Stücken wie »Denn wie man sich bettet, so liegt man« eine kecke Note und bildet letztendlich zusammen mit dem feinfühlig agierenden und teils trocken kommentierenden Pianisten eine harmonische Einheit.

Artikel vom 15.01.2007