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Kollektiver Seufzer des Entzückens

Konzert des Dresdner Kreuzchores in St. Andreas-Kirche erfüllt höchste Ansprüche

Von Cornelia Müller
Lübbecke (WB). Aus dem kulturellen Leben in Lübbecke sind die Konzerte in der St. Andreas-Kirche längst nicht mehr wegzudenken. Immer wieder wird hier auf höchstem Niveau musiziert, und besonders was die Chormusik angeht, dürfen sich die Lübbecker geradezu verwöhnt fühlen.

Denn nicht einmal ein Vierteljahr, nachdem der Kammerchor der Dresdner Frauenkirche in der St. Andreas-Kirche zu hören war, war nun am Samstag ein weiterer Spitzenchor in Lübbecke zu Gast: der Dresdner Kreuzchor, einer der traditionsreichsten und besten Chöre Deutschlands.
Die Karten für dieses Konzert waren schnell verkauft, der Zustrom der Besucher, die in die St. Andreas-Kirche drängten, riss nicht ab. Wann hat man schon einmal die Gelegenheit, einen Chor von solcher Perfektion live zu erleben?
Und perfekt war wirklich nahezu alles an diesem Konzert: Der Einzug der gut 80 Knaben und jungen Männer im Alter von neun bis 19 Jahren in die Kirche, die Aufstellung des Chores, die Haltung der Sänger, das Aufschlagen, Umblättern, Weglegen der Noten - alles zeugte von großer Disziplin und Erfahrung, erworben in Hunderten von Übungs- und Konzertstunden. Und was schon für die äußeren Umstände des Auftritts galt, galt erst recht für das Eigentliche, den Gesang.
Ein Glücksfall, solche Stimmen hören zu dürfen: so vollkommen im Einklang, als kämen sie aus nur einer Kehle, sicher in der Intonation und in den mörderischen Höhen des Soprans (Samuel Rülings »Habe deine Lust an dem Herren«) von einer Klarheit, wie sie nur Knabenchöre besitzen. Dabei weit entfernt davon, die Kompositionen einfach nur - und sei es mit noch so schöner Stimme - »herunterzusingen«: Chorleiter Roderich Kreile forderte viel, behielt stets volle Kontrolle und ließ seine Kruzianer die Werke aus fünf Jahrhunderten (u.a. von Schütz, Bach, Bruckner, Brahms) mit großer Dynamik und viel Einfühlungsvermögen interpretieren. Eine außergewöhnliche Konzentrations- und Konditionsleistung des Chores, der seine beiden einzigen Verschnaufpausen hatte, während Kreuzorganist Holger Gehring Orgelwerke von Bach (Fantasia et Fuga g-Moll) und Mendelssohn Bartholdy (Sonata B-Dur) vortrug.
Der in Bielefeld geborene Gehring, Preisträger mehrerer internationaler Wettbewerbe, ließ die Zuhörer ebenso gebannt lauschen wie zuvor die Kruzianer. Chor und Organist ergänzten sich hervorragend und waren einander ebenbürtig.
Entsprechend dankbar und ausdauernd war der Applaus des Publikums nach dem Konzert, das der Kreuzchor mit Rheinbergers »Abendlied« als Zugabe abschloss, bevor er die St. Andreas-Kirche ebenso geordnet wie beim Einzug wieder verließ. Zurück blieb ein stehend applaudierendes Publikum und ein überall zu hörender kollektiver Seufzer des Entzückens: »Ach, war das schön...«. Konzerte wie dieses sind ein Hauptgewinn für Lübbecke.

Artikel vom 16.01.2007