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Märchenhafte Liebesgeschichte

Sensibel und anmutig tanzt das Ballet Classique de Paris den »Schwanensee«

Gütersloh (WB). Von tänzerischer Leichtigkeit war die von Jeannette Jacquet im klassischen Stil inszenierte Aufführung von Piotr Illich Tschaikowskis (1840-1893) »Schwanensee« geprägt. Das von ihr - sie wurde ehemals durch Jacques Chirac mit der höchsten französischen Auszeichnung, »La Médaille Vermeil«, beehrt - gemeinsam mit ihrem Ehemann Anthony Pace 1973 gegründete »Ballet Classique de Paris« trat am Dienstagabend in der Stadthalle auf.

Jenes sichtbar werden zu lassen, das sich erst jenseits der verbalen Mitteilsamkeit erschließt, waren sowohl das »Grand Corps de Ballet« als auch die Solisten mit internationalem Rang bemüht; in eindrücklichen Bühnenbildern wurde die Tanzdarstellung zu Tschaikowskis seelische Innenbilder bewegenden Musik des »Schwanensees« inszeniert. Gerade deshalb konnte die Aufführung der in vier Bildern und einem Prolog angelegten und von Verzauberung sowie Erlösung handelnden, märchenhaft geheimnisvollen Liebesgeschichte berühren, da mit den sowohl inhaltlichen als auch musikalisch fortwährenden Verwandlungen stilistisch in wohltuend dezenter Art und Weise umgegangen worden war.
Die gekonnten Grätsch- und Spagat-Sprünge des Prinz-Siegfried-Darstellers Vitalij Volosin sowie auch des dramatisch bewegenden Tänzers Ovidiu Iancu, der den Part des bösen Zauberers Bouffon innehatte, wirkten ebenso wie die geschmeidigen Posen von Mariaj Vorobei als Odette oder Svitlana Kalashnikova als Odile nicht dem dieser Tage oft allzu übertriebenen Hochleistungszwang unterstellt. In vielfältigen und doch äußerst exakt durchgeführten dynamisch-wandlungsreichen Bewegungsabläufen wurden gerade die beiden zuletzt genannten Ballerinen der von der prüfungsreichen Erlösung der wie zahlreiche andere Jungfrauen in einen Schwan verwunschenen Odette handelnden Geschichte - fast ausschließlich auf Spitze tanzend - gerecht. Die zu reinen Geigenmelodien mal sanguinischen mal melancholischen Paartänze zwischen der jungen Prinzessin Odette - sie kann wie alle anderen verzauberten jungen Mädchen nur um Mitternacht für eine Stunde menschliche Gestalt annehmen - und dem ihr ewige Treue schwörenden Siegfried gelangen ebenso graziös wie jene Paartänze zur sentimental in Moll einschmeichelnden Violine mit Odile verführerisch betörten. Der als Ritter Rotbart verkleidete böse Zauberer hatte nämlich seine herzlose Tochter, die das Aussehen Odettes annehmende Odile, während der Feier zum 21. Geburtstag von Siegfried auf dem alten Schloss von dessen Mutter, der Fürstin, in einem Gefolge von Zigeunerinnen eingeschleust. Durch die Fürstin war eine Brautwahl angeordnet, und der wegen Odiles Ähnlichkeit mit Odette verwirrte Siegfried erlag ihrem Zauber und nahm die Falsche zur Braut.
Wandlungsreich trugen auch sowohl die sensibel getanzten wie gegensätzlichen Choreografien der bunten Gesellschaften bei Hof sowie des in seiner weißen Anmut auffallenden Schwanen-Ensembles am See zur wegen Siegfrieds nicht vergessener Treue und seiner Bitte um Verzeihung gelingenden Wiedergutmachung seines Treuebruchs bei. Die schmerzliche Verletzung der Geliebten verwandelte sich sowohl dem Inhalt der Geschichte nach als auch tänzerisch-musikalisch in jene Liebe, die die beiden schließlich für immer vereint. Johannes Zoller

Artikel vom 11.01.2007