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Hilfe bei Schulproblemen

Der Schulpsychologische Dienst des Kreises hat alle Hände voll zu tun

Kreis Minden-Lübbecke (WB). Anna geht in die erste Klasse der Grundschule. Sie kann sich noch gar nicht mit der großen Gruppe in der Klasse und den geforderten Regeln anfreunden. Auch das Lernen fällt ihr noch schwer. Sie beginnt die Mitarbeit zu verweigern und die Hausaufgaben entwickeln sich zusehend zu Machtkämpfen. Die Eltern melden sich nach Gesprächen mit der Lehrerin beim Schulpsychologischen Dienst in der Beratungsstelle für Schul- und Familienfragen für den Kreis Minden-Lübbecke. Wie kann Anna geholfen werden?

Die drei psychologischen Fachkräfte im Schulpsychologischen Dienst des Kreises können sich über einen Mangel an Arbeit nicht beklagen. Die Wartezeiten für Eltern und Schulen wachsen, da seit Beginn des neuen Schuljahres die Anmeldezahlen rapide zugenommen haben. Die Beratungsstelle versucht, in Minden und den Außenstellen in Bad Oeynhausen und Lübbecke den Familien und Schulen so schnell wie möglich gerecht zu werden. Dabei darf allerdings die Qualität der Beratung nicht leiden.
Kinder und Jugendliche aus dem ganzen Kreisgebiet werden wegen Schulproblemen angemeldet. Die Bandbreite ist groß: sie reicht von Konzentrationsstörungen bis zu Verhaltensauffälligkeiten, von Lese-Rechtschreib- oder Rechenschwächen bis zur Frage, welche Schulform für ein Kind die richtige ist. Dazu kommen Probleme, die die Kinder - und damit auch die Eltern - mit den Hausaufgaben haben. Besorgte Eltern wollen ihren Kindern Unterstützung und Hilfe zukommen lassen, damit der Schulerfolg nicht gefährdet ist. Aber auch Lehrerinnen und Lehrer holen sich beim Schulpsychologischen Dienst Rat und Unterstützung.
Besonders deutlich zeigen sich in letzter Zeit Auffälligkeiten und Schwierigkeiten, die sich aus den Veränderungen im Schulsystem ergeben haben. Der ohne hin schon große Druck, der auf den Schülern lastet, scheint sich noch zu erhöhen.
Sabine Häderle, Amtsleiterin der Beratungsstelle für Schul- und Familienfragen, führt einige Beispiele an: »Der Wegfall der Schulkindergärten stellt für die Lehrkräfte der Grundschule eine besondere Herausforderung dar. Kinder wie Anna, die früher den Schulkindergarten besucht hätten, sollen jetzt in den ersten Klassen individuell gefördert werden. Das ist nicht immer einfach und erfordert viel Zeit und Kraft von Lehrern. Die anderen Kinder wollen schließlich auch gefördert werden. Die Anmeldezahlen für die schulpsychologische Beratung sind in diesem Zusammenhang seit Schuljahresbeginn gestiegen.
Des weiteren werden vermehrt Grundschulkinder angemeldet, von denen die Lehrer noch vor einigen Jahren gesagt hätte: ÝDas wächst sich schon ausÜ. Auf Grund der individuelleren Vorgehens-weise in den Schulen werden jetzt schon früh Kinder für Diagnostik und Therapie zum Schulpsycho-logischen Dienst weiter geleitet. Dies ist an sich sinnvoll, denn je früher ein Problem erkannt und entsprechend bearbeitet werden kann, desto leichter sind Verbesserungen zu erreichen.
Auch für die weiterführenden Schulen ergibt sich ein neues Problemfeld. Alle Schüler müssen nun nach der 10. Klasse eine Prüfung ablegen. Die gestiegene Zahl der Anmeldungen für Neunt- und Zehntklässler zeigt die Besorgnis vieler Eltern, dass ihr Kind dieses Ziel nicht erreichen wird. Hier ist auch die Erziehungsberatung gefragt, geht es doch vielfach um Motivationsprobleme von Jugendlichen. Diese sind zu der Zeit mitten in der Pubertät und interessieren sich für vieles, aber nur selten für die Schule. Viele Jugendliche wissen auch gar nicht, wie man überhaupt lernt. Und viele Eltern wissen nicht, wie sie ihre Kinder unterstützen können. Dazu kommt, dass berufstätige Eltern wenig Zeit haben, sich intensiv um die schulischen Belange ihrer Kinder zu kümmern.«
Gerade in eher bildungsfernen Bevölkerungsschichten kann die Beratung und Unterstützung durch den Schulpsychologischen Dienst hilfreich sein. Jugendlichen mit besonderen Lernproblemen in Haupt- oder Förderschulen muss geholfen werden, wenigstens einen Hauptschulabschluss zu erreichen. Die Eltern werden in der Beratung unterstützt, so weit sie können, ihre Kinder sinnvoll beim Lernen zu begleiten, ohne sie extrem unter Druck zu setzen. Voraussetzung dafür ist, dass Jugendliche Vertrauen fassen und überhaupt mit schulischen Themen (noch) ansprechbar sind.
Die Beratungsstelle ist für alle Eltern, Jugendliche und Kinder da, gleich aus welcher Bevölkerungsschicht die Familie kommt. Und sie wird auch von allen genutzt. Gerade Eltern, die selbst schon Arbeitslosigkeit und existenzielle Ängste kennen gelernt haben, wissen um die Bedeutung eines Schulabschlusses. Sie sorgen sich, dass ihr Kind es nicht schaffen könnte und vielleicht keine Chance im Leben haben könnte.
Eine Anmeldung in der Beratungsstelle ist hier oft der erste Schritt, um aus einer schwierigen schulischen Situation heraus zu kommen.
Die vielfältigen (alten und neuen) Probleme, die an die Beratungsstelle für Schul- und Familienfragen herangetragen werden, führen zu erheblichen Wartezeiten für Eltern, Lehrer und Kinder. Nur bei Krisen, wie zum Beispiel Schulverweigerung, kann schnell ein Termin vergeben werden. »Wir versuchen trotzdem, allen Eltern und Kindern so schnell und gut wie möglich gerecht zu werden«, erklärt Sabine Häderle.

Artikel vom 09.01.2007