09.01.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Im Rausch wurde das
Rangieren zum Rasen

Unfall im Hauptbahnhof vor dem Amtsgericht

Von Kai Hasenbein
Paderborn (WV). 2,74 Promille: Manch einer kann sich angesichts dieses Blutalkoholspiegels kaum auf den Beinen halten. Walter B. (Name geändert) trat im Sommer 2006 völlig betrunken seinen Dienst als Lokführer an - mit Folgen: Wegen fahrlässiger Gefährdung des Bahnverkehrs verurteilte ihn das Amtsgericht Paderborn gestern zu einer Geldstrafe.

Die Chronologie der Ereignisse: Am 28. Juli 2006 erschien Walter B., der als Lokführer Güter rangiert, um 12.45 Uhr zur Spätschicht am Paderborner Hauptbahnhof. Einigen seiner Kollegen fiel damals gleich auf, dass mit ihm offensichtlich etwas nicht stimmte. Und sie sollten Recht behalten: Den 49-Jährigen plagten familiäre Sorgen, die er am Vorabend und am Morgen des Unfalltages ausgiebig im Alkohol ertränkt hatte.
Wenngleich die Schicht zunächst noch glimpflich verlief, nahm das Unheil doch seinen Lauf: Obwohl im Rangierverkehr allerhöchstens 25 Stundenkilometer erlaubt sind, bretterte Walter B. mit 56 Stundenkilometern unter Missachtung eines Haltesignals in eine so genannte Gleissperre, die verhindern soll, dass beim unerlaubten Überfahren eines Gleises Personen oder Material zu Schaden kommen. Diese Gleissperre tat glücklicherweise ihren Dienst, doch die Rangierlok sprang folgenschwer aus den Schienen - 18 000 Euro Schaden! Zu allem Überfluss entfernte sich B. damals unerlaubt vom Unfallort.
Vor Gericht bereute B. sein Fehlverhalten und gab an, sich nun in einer Alkoholtherapie zu befinden: »Mein Therapeut hat mir bescheinigt, dass ich mich auf einem guten Weg befinde«, berichtete er. Amtsrichter Eric Schülke sah es ähnlich und verhängte trotz eines »hohen Maßes an Verantwortungslosigkeit und Fahrlässigkeit« ein mildes Urteil: Der nicht vorbestrafte und einsichtige Walter B. wurde zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu 40 Euro verurteilt.
Dennoch muss sich der derzeit suspendierte Beamte wohl in einem Disziplinarverfahren sowie nochmals vor Gericht verantworten: Die Deutsche Bahn AG wird mit Schadensersatzansprüchen sicherlich vorstellig werden. Und ob er jemals wieder eine Lokomotive steuern darf, ist mehr als fraglich.

Artikel vom 09.01.2007