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Einwohnerzahl schrumpft weiter

Deutschland verlor 2006 erneut 130 000 Einwohner - Böhmer: Zuzug erleichtern

Wiesbaden (dpa). Nach Schätzungen der Statistiker hat Deutschland im vergangenen Jahr etwa 130 000 Einwohner verloren. Bei immer noch 82,31 Millionen Menschen scheint das eine eher geringe Zahl zu sein - doch warnen Experten schon seit langem vor den gravierenden Folgen des langsamen, aber stetigen Bevölkerungsrückgangs.
Nach einer langen Aufwärtsentwicklung sinkt seit 2002 die Zahl der Menschen in Deutschland.

Seit 2002 sinkt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden die Zahl der Menschen, die in Deutschland leben. In den kommenden Jahrzehnten wird sich daran wohl auch wenig ändern.
Wie schon seit Anfang der siebziger Jahre starben auch im vergangenen Jahr mehr Menschen als Kinder geboren wurden: die Differenz betrug 150 000. 2005 hatte es noch 144 000 mehr Todesfälle als Geburten gegeben.
Das so genannte Geburtendefizit wurde durch Zuwanderung nicht ausgeglichen. 2006 sind im Vergleich zum Vorjahr weniger Menschen aus dem Ausland nach Deutschland zu- als ins Ausland weggezogen. Waren 2005 noch etwa 79 000 mehr Menschen ein- als ausgewandert, lag der »Wanderungsgewinn« im vergangenen Jahr nur noch bei 20 000 bis 30 000 Menschen. Für 2006 rechnen die Statistiker insgesamt mit etwa 670 000 bis 680 000 Geburten und 820 000 bis 830 000 Sterbefällen.
»Die Zahl der potenziellen Mütter wird immer kleiner«, sagt Jürgen Dorbritz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden. Die Geburtenhäufigkeit pro Frau liege zwar mit 1,4 zumindest in Westdeutschland seit den siebziger Jahren auf konstantem Niveau. Insgesamt gebe es aber immer weniger Frauen - die Folge: Immer weniger Babys kommen zur Welt. Viele Frauen blieben auch gänzlich kinderlos. So seien etwa vom Jahrgang 1966 ein gutes Viertel keine Mütter. Hoffnung auf Änderung gibt es Dorbritz zufolge nur wenig: »Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau dürfte zwar in den nächsten Jahren unverändert bleiben, was aber auf Grund der rückläufigen Mütterzahlen mit einem weiteren Geburtenrückgang verbunden ist.«
»Der Schlüssel liegt bei den Männern«, meint dagegen der Bevölkerungsforscher Herwig Birg. Der frühere Leiter des Instituts für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik (IBS) der Universität Bielefeld fordert deshalb unter anderem, dass bei gleicher beruflicher Qualifikation Mütter und Väter vor Kinderlosen bevorzugt eingestellt werden. Diese familienpolitische Maßnahme hätte einen Vorteil: »Es würde nichts kosten.«
Nach Ansicht der Migrationsbeauftragten der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), müssen die Hürden für den Zuzug ausländischer Spitzenkräfte deutlich gesenkt werden. »Die deutsche Wirtschaft braucht dringend mehr hoch qualifizierte Fachkräfte, damit der Aufschwung weiter an Fahrt gewinnen kann. Deshalb muss bei der anstehenden Novelle des Zuwanderungsgesetzes der Zuzug für Fachkräfte erleichtert werden«, sagte Böhmer. Sie unterstützt die Forderung des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann nach einer erleichterten Zuwanderung für ausländische Fachkräfte. Das Zuwanderungsgesetz erleichtert den Zuzug ausländischer Spitzenkräfte nur unter bestimmten Bedingungen. Will ein Ausländer selbstständig tätig werden, muss er mindestens eine Million Euro investieren und mindestens zehn Jobs schaffen. Wer als Angestellter arbeiten will, muss mindestens 7 125 Euro im Monat verdienen. Hier müssten Erleichterungen geschaffen werden. Laut Böhmer bemisst sich die Qualifikation eines Arbeitnehmers nicht allein am Einkommen, sondern vor allem am Wissen und Können. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 06.01.2007