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Doppel-Mörder kommt bald frei

25 Jahre nach dem Mord an zwei Mädchen sieht ein Psychiater eine positive Prognose

Von Wolfgang Wotke
Gütersloh/Rheda-Wiedenbrück (WB). Vater Josef Bühlmeyer (86) besucht noch heute regelmäßig die Stelle, an der seine Tochter Annegret (15) vor 25 Jahren brutal ermordet wurde. Auch ihre Freundin Almut Roggenkamp (15) musste damals grausam sterben. Jetzt der Schock: Der Mörder Hans-Jürgen D. (heute 48) soll im Juni frei kommen.

»Das ist eine große Katastrophe. Dieser Mann ist von Grund auf böse und muss für immer eingesperrt bleiben«, sagt Josef Bühlmeyer verbittert. Dann senkt er den Kopf und fragt: »Dagegen kann man wohl nichts machen, oder?« Zum ersten Mal sprechen die Eltern, Josef und Maria (74) Bühlmeyer, öffentlich über den schlimmsten Tag in ihrem Leben, der ihnen das Liebste nahm, was sie hatten. Es war der 25. Juni 1982, ein herrlicher Früh-Sommertag. Die beiden fröhlichen Freundinnen waren mit ihren Fahrrädern von Rheda nach Gütersloh gestartet, um an einem Tanzkursus teilzunehmen. Mutter Maria Bühlmeyer: »Annegret sagte noch, dass es die letzte Tanzstunde sei. Ich habe sie dann nie wieder gesehen.«
Auf halber Strecke machten sie an der Rhedaer Straße in Gütersloh Rast, setzten sich auf einen alten Baumstamm und tranken Erdbeermilch. Plötzlich fiel ein Mann die 15-jährigen Mädchen an. Erst fesselte er sie, dann vergewaltigte er beide. Schließlich tötete er die Teenager bestialisch mit einem US-Fallschirmjäger-Messer. Polizeisprecher Karl-Heinz Stehrenberg, der als junger Beamter dieser Ermittlungsgruppe angehörte, erinnert sich: »Es war eines der schaurigsten Kapitalverbrechen in Ostwestfalen-Lippe.«
Schon am nächsten Tag nahm die Polizei Hans-Jürgen D. aus Rheda fest, dessen roter Opel-Kadett von einer Spaziergängerin beobachtet worden war. Der Maurer und Vater zweier kleiner Kinder gestand die Sexualmorde. Schließlich fand die Kripo auch noch die Tatwaffe unter dem Sitz seines Autos. In seiner Vernehmung gab er als Motiv an, dass seine Frau ihn seit längerer Zeit nicht mehr ins gemeinsame Bett gelassen habe. Ihm sei es beim Anblick der Mädchen überkommen. Nach der Tat sei er nach Hause gefahren und habe das Fußball-WM-Spiel Österreich gegen Deutschland im Fernsehen angeschaut.
Am 3. September 1983 verurteilte ihn das Landgericht Bielefeld zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. 1997 stellte er den ersten Antrag auf frühzeitige Entlassung. Erst jetzt bescheinigte ihm ein Psychiater eine positive Sozialprognose: Es bestehe keine Gefahr, dass er weitere Straftaten in Freiheit begehe. Staatsanwalt Hans-Dieter Heidbrede, der 1982 die Ermittlungen geleitet hatte und Hans-Jürgen D. überführte: »Er muss noch eine Anhörung überstehen, dann wird wohl die Strafvollstreckungskammer seine Entlassung anordnen.« Am 26. Juni soll er auf freien Fuß kommen. Zurzeit sitzt er in der JVA Geldern (Niederrhein) ein. Seit zehn Jahren verbüßt er seine Strafe bereits im offenen Vollzug. Nach Informationen dieser Zeitung soll er mittlerweile eine neue Partnerin haben.
Vater Josef Bühlmeyer wird auch in Zukunft den Tatort besuchen. Dort hat er nämlich einen großen Gedenkstein für beide ermordete Mädchen aufstellen lassen: »Zum stillen Gedenken an unsere geliebten Kinder, die hier in der Blüte ihres Lebens sterben mussten.« Nur Mutter Maria war noch nie an diesem Ort. Sie sagt traurig: »Ich kann das nicht. Auch nicht nach 25 Jahren.«

Artikel vom 06.01.2007