05.01.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Kein Aprilscherz im Januar

Zwanzigers Idee »aus elf mach neun« stößt nicht auf Gegenliebe

Von Wolfgang Sprentzel
Lübbecke (WB). Die Mannschaftszahlen im Seniorenbereich sind rückläufig. Im Zeitraum von 15 Jahren verringerte sich die Zahl der Seniorenteams um rund zehn Prozent.

Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, Theo Zwanziger, hat daher angeregt, ab Sommer 2008 an ab Kreisliga A abwärts im Seniorenbereich nur noch mit neun anstatt mit elf Akteuren spielen zu lassen (siehe auch Bericht im Mantel-Teil dieser Ausgabe).
Eine äußerst gewagte Idee, die im FuL-Kreis Lübbecke - dort hält man seit etwa fünf Jahren den konstanten Level von etwa 70 Seniorenmannschaften in Kreisliga A, Kreisliga B und Kreisliga C, Gruppe I und II - in keinster Weise auf Gegenliebe stößt, wie sich bei einer Umfrage des WESTFALEN-BLATT am gestrigen Nachmittag herausstellte. Von »nicht praktikabel« bis »das ist doch wohl ein Aprilscherz. Wir haben aber doch Januar« lauteten die Antworten von Trainern und Funktionären.
Hans Ruschmeier (56), B-Junioren-Trainer beim TuS Tengern: Die Idee überrascht mich doch sehr. Im ersten Augenblick halte ich davon überhaupt nichts. Normalerweise ist es ja schon okay, was Theo Zwanziger macht. Aber das hier? Ich habe mir über so eine Einschränkung ehrlich gesagt noch nie Gedanken gemacht. Und ich kann's mir auch nicht vorstellen, dass das mal kommt. Seit meinem 16. Lebensjahr habe ich mit Fußball zu tun. Ich sehe in einer Team-Stärken-Begrenzung überhaupt keinen Sinn.
Dieter Greve (47), Fußball-Abteilungsleiter des BSC Blasheim: Entschuldige bitte, ich muss erst wieder aufstehen. Ich liege gerade unterm Tisch vor Lachen. Mensch, wir spielen seit ewigen Zeiten mit elf gegen elf. Und das mus auch weiterhin so bleiben. Nein, diese Idee des Herrn Zwanziger scheint nicht zu Ende gedacht. Das sieht nach Kindergarten aus.
Markus Möller (38), Spielertrainer des HSC Alswede: Wie soll ds denn gehen, bitte schön? Das kommt doch auf gar keinen Fall. Wo soll denn bei einer Neuner-Mannschaft die Perspektive für die Jugend liegen? Es ist schon schwer genug für einen Jugendlichen in eine Elfer-Mannschft zu kommen. Wie soll er das dann in ein Neuner-Team schaffen? Da sind die Plätze doch noch rarer. Ich denke, ein solcher Schuss würde nach hinten los gehen. Statt mehr Mannschften hätten wir immer weniger Spieler, weil keiner mehr eine Perspektive sieht. Ich bin voll dagegen.
Ernie Joerend (41), Trainer des SVE Börninghausen: Tut mir leid. Du willst mich wohl auf den Arm nehmen, oder? Da propagiert man, dass die Mannschaften auch in den unteren Liga-Bereichen mit einer Vierer-Kette spielen sollen, und da so ein Vorschlag. Viererkette ist doch mit neun gegen neun gar nicht möglich. Bevor die solche Ideen auf den Markt bringen, sollten sie sich mal um soziale Integration kümmern.
Axel Krüger (34), Spielertrainer des VfB Fabbenstedt: Ist denn schon wieder April? Von einer solchen Idee halte ich nicht viel. Stellt sich doch die Frage: Was will Theo Zwanziger damit bezwecken? Und vor allem: wie soll dann künftig ein Spiel zwischen einem Bezirksligisten (der mit elf) und einem A-Ligsten (mit neun) vonstatten gehen? Sollen die dann jeder mit elf, mit neun oder gar jeder mit zehn - dann treffen die sich auf der Hälfte - spielen? Für mich ist das Schwachsinn. Wir sollten nicht an uralten Regeln rütteln. Sinnvoller halte ich es da schon, über neue Wechselmaßnahmen nachzudenken.
Jörg Baumann (38), Trainer des TuS Dielingen: Ich habe davon schon gehört - aber ich halte diese Idee nicht für ausgegoren. Man überlege: für elf Spieler benötige ich einen Kader von 16 bis 17 Leuten, für neun einen von 14 bis 15 Leuten. Da fallen mir doch glatt zwei weg. Ich glaube aber nicht, dass Theo Zwanziger den Vorschlag ernst gemeint hat. Ich denke, dass er lediglich einen spektakulären Diskussionsansatz schaffen wollte, um zum Nachdenken anzuregen, um neue Möglichkeiten zu finden. Mir erscheint die Idee eher als eine Art »Wachrüttler«.
Christian Meyer (32), Trainer des TuS Tengern II: Is schon der 1. April? Glauben kann ich das nicht. Man hört ja immer wieder von gravierenden Änderungen und Schwachsinnsideen gibt's immer wieder. Aber ich glaube auch nicht, dass Theo Zwanziger das ernst gemeint hat. Der versteht das eher als eine Art Anregung, um über das Mannschaftssterben nachzudenken.
Ingo Schröder (32), Spielertrainer des BSC Blasheim: Die haben vielleicht immer dolle Ideen. Mal die Tore größer, jetzt die Mannschaften kleiner. Das kann ich alles nicht ernst nehmen. Obwohl ich den Herrn Zwanziger bisher immer sehr ernst genommen habe. Das dürfte wohl nicht in die Praxis umzusetzen sein. Ich denke aber auch an den Boom, den die Fußball-WM verursacht hat. Ich meine, dass wir im F-Junioren-Bereich Zuwächse von fast 20 Prozent bekommen haben. Wenn davon nur die Hälfte bleibt, muss uns um den Fußball nicht bange sein.
Oliver Sander (30), Spielertrainer der SpVgg Union Varl: Tja, das überrascht mich doch sehr. Ich halte diese Alternative gar nicht für gut. Stell Dir mal vor, es fliegen zwei runter. Dann müsste man mit sieben gegen neun spielen. Da wär's mit der Attraktivität des Fußballs wohl endgültig vorbei. Ich weiß auch gar nicht, was das soll. In den unteren Jahrgängen gibt's doch wieder Zulauf. Die Vereine und der DFB sind vielmehr aufgefordert, diesen Trend zu verstärken und energischer in diesem Juniorenbereich Werbung zu betreiben. Wir müssen die Kinder wieder auf den Fußballplatz locken. Eine Fußball-WM ist doch kein Selbstläufer. Wir müssen alle wieder mehr anpacken.
Friedhelm Spey (56), Schiedsrichter und Staffelleiter: Wo hast Du das denn her? Wir sind doch noch nicht im April! Ich kann mir eine Neuner-Mannschaft für den A- und B-Liga-Betrieb überhaupt nicht vorstellen. Machbar ist es vielleicht in der Kreisliga C. Dann müsste man eine Gruppe wegnehmen und eine D-Liga aufstellen, in der dann Pflicht-Freundschaftsspiele absolviert werden. So eine Runde für Freizeit- und Breitensportler. Im Leistungssport halte ich das nicht für durchführbar. Um die Mannschaften im A- und B-Bereich zu retten, sollte man eher darüber nachdenken, dass man wie beim Hallen-Handball zu jedem beliebigen Zeitpunkt ein- und auswechseln kann. Und zwar auch einen Spieler wieder einwechseln kann, den man schon einmal aus dem laufenden Spiel herausgenommen hat. Das macht eher Sinn. Denn dann könnten auch alle, die zu einer Mannschaft gehören, wirklich spielen und sind, wie in den meisten Fällen praktiziert, nur zum Zusehen verurteilt.

Artikel vom 05.01.2007