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Nur »Strohhalm« oder
echter Lebensretter?

Schwerkranker Brenkener fühlt sich im Stich gelassen

Von Hanne Reimer
Brenken (WV). Christian Bockhoff ist schwer krank, in seinem Gehirn befindet sich ein Tumor. Seine Hoffnung setzt der 32-jährige Brenkener auf eine Behandlungsmethode namens Tiefenhyperthermie, die allerdings einen gewaltigen Haken hat: Seine Krankenkasse übernimmt die Kosten dafür nicht.

Im Mai 2004 wurde die Krebserkrankung festgestellt, der Tumor operativ weitgehend, allerdings nicht vollständig entfernt. Seit der Operation ist Christian Bockhoff linksseitig gelähmt. Eine Chemotherapie musste abgebrochen werden.
Als der Tumor wieder zu wachsen begann, erhielt der Brenkener zwei Jahre die Therapie der Tiefenhyperthermie (siehe Info-Kasten). Mit guten Ergebnissen, wie sein Arzt Dr. med. Eckhard Böcher, Facharzt für Innere Medizin an der Soester Klinik Kloster Paradiese bescheinigt.
Zwei Jahre lang bezahlte Bockhoffs Krankenversicherung - zunächst war er bei der GEK versichert, später wechselte er zur DAK - die Therapie. »In dieser Zeit ist der Tumor nicht weiter gewachsen«, blickt der Brenkener zurück. Doch weil die Wirksamkeit der Behandlungsmethode wissenschaftlich nicht anerkannt ist, stellte die Kasse schließlich die Zahlungen ein.
Eine Zeitlang zahlte der Brenkener die Kosten aus eigener Tasche. »Das konnte ich mir aber bald nicht mehr leisten«, bedauert er. Immerhin kostet eine Sitzung 145 Euro, bestrahlt werden sollte im Abstand von einer oder zwei Wochen, sodass rasch stattliche Summen zusammenkommen. Vor neun Monaten schließlich musste die Behandlung ausgesetzt werden. »Und genau seitdem wächst der Tumor wieder«, sagt Christian Bockhoff bitter.
Vertreten von seinem Rechtsanwalt Ulrich Gerken (Bad Wünnenberg), reichte er Klage vor dem Detmolder Sozialgericht ein, um zu erreichen, dass die Krankenkasse die Behandlungskosten übernehmen sollte. Bisher ohne Erfolg. »Die DAK weigert sich mit der Begründung, die Therapiemethode sei wissenschaftlich nicht anerkannt«, erklärt Gerken.
»Wir haben hier keinen Ermessensspielraum«, betont DAK-Pressesprecherin Britta Cassone. Der gemeinsame Bundesausschuss, dem Vertreter der Politik, der Ärzte und der Krankenkassen angehören, habe 2005 entschieden, dass die Kosten für die Tiefenhyperthermie von den Kassen nicht übernommen werden dürfen. Der Grund: Eine wissenschaftliche Überprüfung habe die Wirksamkeit nicht belegen können.
»Es ist natürlich nachvollziehbar, dass ein Patient, der in so jungem Alter an Krebs erkrankt ist, alles versucht und sich an jeden Strohhalm klammert«, zeigt die DAK-Sprecherin Verständnis für Christian Bockhoffs schwierige Situation. Dennoch unterstreicht sie: »Wir dürfen diese Therapie nicht bezahlen.«
Daher ging die Kasse auch auf ein Vergleichsangebot des Detmolder Richters nicht ein. Der hatte vorgeschlagen, dass die DAK die Hälfte der Kosten übernehmen sollte. »Das hätte mir immerhin etwas weitergeholfen«, bedauert Christian Bockhoff. Nachdem die Krankenkasse diesem Kompromiss nicht zustimmte, regte der Richter an, die Klage zurückzunehmen. »Es gibt nun einmal den Leistungskatalog, daran kommt auch das Gericht nicht vorbei«, erklärt Gerken.
Trotzdem wollen der Anwalt und sein Mandant sich noch nicht geschlagen geben. Denn in einem ähnlich gelagerten Fall habe das Sozialgericht Duisburg entschieden, dass die Kasse die Kosten zumindest vorläufig übernehmen muss, begründet Ulrich Gerken.
Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes besage zudem, dass Krankenkassen auch Behandlungen bezahlen müssen, die wissenschaftlich nicht eindeutig abgesichert sind, wenn sie die einzige überhaupt noch realistische Chance bieten, das Überleben eines Patienten zu sichern.

Artikel vom 09.01.2007