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Pflegeeltern: »Wir geben Angelina nie zurück«

Yvonne und Hubertus Lüttig kümmern sich seit Jahren um ein schwer behindertes Kind

Etteln (WV). Es gibt Kinder, die müssten ohne Eltern aufwachsen, wenn es nicht Menschen wie Yvonne und Hubertus Lüttig aus Etteln gäbe. Sie haben die Pflege der schwer behinderten Angelina übernommen. Vermittelt wurde das Mädchen durch den Beratungsdienst »Westfälische Pflegefamilien« des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) in Paderborn.

Wie im Fall von Angelina vermittelt der SkF behinderte Kinder, deren Aufnahme eine intensive Betreuung voraussetzt. Das Team der »Westfälischen Pflegefamilien« ist auch für Kinder zuständig, die aus sozial schwierigen Verhältnissen stammen oder verhaltensauffällig sind. »Sie alle müssten ohne Familie aufwachsen, wenn es die Pflegeeltern nicht gäbe«, sagt die Leiterin des Dienstes, Alice Schikowski.
Die Lüttigs hatten ein gutes Jahr nach ihrem ersten Kontakt mit den »Westfälischen Pflegefamilien« auf ein Kind gewartet. Als ihnen dann Angelina vorgeschlagen wurde, sagten sie trotz der Behinderung des Mädchens ohne Zögern zu. Die heute Viereinhalbjährige war im Alter von wenigen Monaten an Hirnhautentzündung erkrankt. Mit einem halben Jahr kam Angelina zu Lüttigs. Damals war noch nicht abzusehen, wie gravierend die Behinderung ausfallen würde. Erst nach einem Besuch in der Uniklinik Göttingen erfuhren die Lüttigs das ganze Ausmaß. Das Mädchen würde niemals sitzen, niemals reden können und ihr Augenlicht verlieren. »Dennoch habe wir keine Sekunde an unserem Gefühl gezweifelt«, sagt Hubertus Lüttig, »niemals würden wir Angelina wieder zurückgegeben.«
Yvonne Lüttig war Kinderkrankenschwester, ihre Stelle gab sie damals auf. Diese Ausbildung erleichterte es ihr, mit der Herausforderung fertig zu werden. Angelina ist häufig krank, sie erleidet Krampfanfälle. Sie ist heute blind. Ernährt wird sie durch eine Magensonde. Ohne eine Rund-um-Betreuung, tags und nachts, ging und geht das nicht.
Das Ehepaar musste den Alltag komplett umstellen. In den Urlaub geht es nur für einige Tage, Veranstaltungen und Feste besuchen die Lüttigs nur eingeschränkt. Im Mittelpunkt des Lebens steht immer Angelina. Ohne Freunde, Verwandte und Nachbarn, die viel Verständnis für die neue Situation aufgebracht haben, wäre es sicherlich noch schwieriger geworden.
Wenn man sie heute besucht, ist die Behinderung von Angelia im ersten Moment kaum sichtbar. Das Mädchen spielt alleine in ihrem Zimmer, im Wohnzimmer flimmert der kleine Überwachungs-bildschirm, der Bilder aus dem Kinderzimmer überträgt. Auf den zweiten Blick fällt der besondere Stuhl für Angelina auf, die Magensonde und der Monitor neben ihrem Bett, mit dem Herzschlag und Atmung kontrolliert werden.
Diese lebensnotwendigen Geräte anzuschaffen und durch die Krankenkassen finanzieren zu lassen, bedeutet einen hohen Verwaltungsaufwand. Auch dabei hat das Team der Westfälischen Pflegefamilien der Familie Lüttig geholfen.
Die Lüttigs sind eine ganz normale Familie mit einer besonders engen emotionalen Bindung. »Angelina ist ein richtiger Freudebrunnen, sie ist ein Geschenk«, sagt Hubertus Lüttig: »es ist unglaublich, was man an Gefühlen zurückbekommt.« Selbst über die einfachsten Sachen können sich die Eltern freuen: »Wir sind richtig stolz auf Angelina.« Das Ehepaar plant, ein neues Kind aufzunehmen. Der Antrag beim den »Westfälischen Pflegefamilien« ist bereits gestellt: »Wir wissen, was auf uns zukommt.«
Kontakt: Westfälische Pflegefamilien, Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Paderborn, Tel. 05251/121 960

Artikel vom 03.01.2007