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Konkurrenz hält Preise niedrig

19 Prozent Mehrwertsteuer - »Erhöhung ist ein Fehler« - nicht alles teurer

Von Bernd Steinbacher
(Text und Foto)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Der Mehrwertsteuersatz liegt seit 1. Januar bei 19 Prozent. Das bedeutet allerdings nicht, dass gleich alles teurer wird. Einige Preiserhöhungen haben andere Ursachen. Im Einzelhandel ist der Konkurrenzdruck sogar so groß, dass Preise stabil bleiben oder sinken.

Die Verbraucherzentrale weist daraufhin, dass für viele Waren und Dienstleistungen der reduzierte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent gilt. So besteuert wird der größte Teil der Lebensmittel. Auch bei Büchern, Tageszeitungen, Eintrittskarten für Kino und Schwimmbad, Einzeltickets für Bus und Bahn sowie Trinkwasser ändert sich nichts.
»Der größte Teil unseres etwa 80 000 Artikel umfassenden Sortiments sind Lebensmittel. Da ändert sich durch die höhere Mehrwertsteuer nichts«, sagt auch Uwe Marx, Marktkauf-Geschäftsleiter in Schloß Holte-Stukenbrock. Schon 2006 habe das Unternehmen eine Preisoffensive quer durch die ganze Angebotspalette gestartet. Diese »Preisoffensive« habe auch in diesem Jahr Bestand.
Nur im Non-Food-Bereich, dort, wo durch Herstellervorgaben Preiserhöhungen unumgänglich seien, werde es diese geben, schätzt Uwe Marx ein. Doch eine Preiserhöhungslawine werde im Einzelhandel nicht auf die Kunden zurollen, eher seien Preissenkungen wahrscheinlich. Die Mehrwertsteuererhöhung würden zu etwa je ein Drittel der Handel, die Industrie und die Transport- und Logistikunternehmen tragen, sei die allgemeine Einschätzung. »Der Wettbewerbsdruck ist so groß, dass höhere Preise wegen der Mehrwertsteuer nicht durchsetzbar sind. Eher sinkt der Gewinn der Handelsunternehmen«, so Marx. Bei Verhandlungen mit der Zulieferindustrie werde natürlich im Kundensinne versucht, so viel wie möglich herauszuholen. Die ohnehin schwierigen Verhandlungen seien dadurch noch härter geworden. Um »Dauertiefpreise« zu halten, sei auch die Treuekarte abgeschafft worden. Dies spare Kosten. Um im Discount-Bereich konkurrenzfähig zu sein, blieben die Preise bei etwa 1000 Artikeln auf dem Niveau von Aldi und Lidl. Die Marktkaufwerbung verspricht auf neuen Plakaten, die seit heute in den Märkten hängen, sogar niedrigere Preise.
Davon können Handwerksbetriebe nur träumen. So sieht beispielsweise Ulrich Bökamp, Inhaber der Sanitär, Heizung, Solar Bökamp GmbH, die Steuererhöhung nicht als das große Problem an: »Allerdings waren die Kunden stark interessiert daran, die Rechnung noch 2006 zu erhalten«, so der Firmenchef. Wenn die Rechnung erst Anfang 2007 kommt, die Arbeiten aber im Vorjahr ausgeführt würden, wird natürlich der alte Mehrwertsteuersatz abgerechnet. »Insgesamt sind die Kunden kauffreudiger geworden, wer etwas haben will, zieht sein Vorhaben trotz höherer Steuer durch.«
Probleme sind seiner Ansicht nach die in einigen Bereichen stark gestiegenen Zulieferpreise. Einzelne Artikel kosteten beispielsweise wegen des gestiegenen Kupferpreises bis zu 100 Prozent mehr. Armaturenpreise stiegen zum Teil um 10 bis 30 Prozent. Eine gewisse Planungsunsicherheit sei dadurch da.
Angebote für Kunden haben deshalb bei ihm nur eine Gültigkeit von vier Wochen und die Gewinnspanne sinkt deutlich, da nicht alle Kosten an die Kunden weitergegeben werden können. Die Auftragslage ist aber positiv, Grund zur schlechten Stimmung gibt es für ihn nicht.
»2006 gab es einige richtige Euphorie, auch im Luxusbereich, beispielsweise bei Fernseh-Satelittenanlagen, wurde richtig investiert. Davon ist für 2007 noch nichts zu spüren«, sagt Eletrotechnikermeister Matthias Strothteicher. Zwar habe er Aufträge, aber die Kunden hielten sich zurück. Da aber 2006, bis auf Dezember, ein durchgehend gutes Jahr war, sehe er keinen Grund zum Klagen.
Problematisch seien allerdings die gestiegenen Einkaufspreise. »Die Erhöhung der Mehrwertsteuer ist ein Fehler. Mit dem Geld werden doch nur Löcher gestopft und keine Schulden abgebaut«, kritisiert Strothteicher. Die Konjunktur deshalb zu bremsen, sei falsch.
Das sehen die Verbraucher ähnlich. Wegen der Gesetzesänderungen wird vieles teurer: Krankenkassen erhöhten ihre Beiträge, die Versicherungssteuer stieg von 16 auf 19 Prozent. Und wie sich die Mehrwertsteuererhöhung auf die Benzinpreise auswirkt, kann jeder an den Tankstellen sehen.

Artikel vom 02.01.2007