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Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrer Uwe Stintmann

Uwe Stintmann ist Pfarrer in der evangelischen Kirchengemeinde Wittel.

Zwischen den Jahren. So nannte meine Mutter früher die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr. Und sie stand damit nicht allein. Auch in der Nachbarschaft war es eine gängige Bezeichnung. Wie habe ich da gestaunt, als mir später auch in ganz anderen Orten diese seltsame Wortkombination begegnete: zwischen den Jahren.
Bis heute kann ich mir keinen Reim darauf machen. Und noch weniger verstehe ich die seltsamen Gepflogenheiten, die mit dieser Zeit verbunden wurden. Bei uns zu Hause zum Beispiel wurde dann weder gewaschen noch Wäsche auf die Leine gehängt. »Das tut man eben nicht!« Mehr wusste meine Mutter auch nicht zu sagen.
War es eine Tradition, es eine Woche ruhiger angehen zu lassen, die Arbeit auf ein Mindestmaß zu reduzieren? Oder war es eher der Aberglaube, dass ein Nichtbefolgen der Regel ein Unglück nach sich ziehen würde? Letzteres verstehe ich nicht. Wie soll ein frisch gewaschenes Hemd auf der Leine Herr über Glück und Unglück in meinem Leben sein?
Mit dem anderen Gedanken könnte ich mich gut anfreunden: Warum es nicht ruhig angehen lassen? Natürlich ist für viele die Zeit nach Weihnachten eine gute Gelegenheit, sich Dinge vorzunehmen, die immer schon einmal erledigt werden sollten. Jetzt hat man ja die nötige Zeit dazu.
Aber davor will mich die alte Gepflogenheit vielleicht bewahren. Nutze nicht immer gleich alles für die Arbeit. Gönn dir die Zeit, um zur Ruhe zu kommen. Das Kind im Stall, der Retter der Welt ist gerade erst zur Welt gekommen. Da solltest du nicht so schnell zur Tagesordnung übergehen. Freu dich daran, dass Gott die Tagesordnung durchbrochen hat, um dir nahe zu sein. Kröne dein Leben mit der Besinnung auf das Wunder der Weihnacht, mit dem Luxus, es langsam wieder angehen zu lassen.
Aberglaube oder guter Rat? Ich weiß es nicht, vielleicht wissen Sie als Leser oder Leserin viel besser Bescheid. Ich weiß nur für mein Leben: Aberglaube wird es kaum reicher machen, er verbreitet eher Angst und Schrecken. Aber Zeit für den Retter der Welt auch im Alltag wird mir ganz gewiss gut tun. So will ich es zwischen den Jahren halten - und im neuen Jahr nicht weniger.

Artikel vom 30.12.2006