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Teppichkauf
kann Hilfe
bedeuten

Dritte Welt speziell fördern

Von Stefanie Hillebrand
Rahden/Espelkamp (WB). Was hat ein Rahdener Teppichhändler mit dem diesjährigen Friedensnobelpreisträger Mohammed Junus gemeinsam? »Das System der Vergabe von Kleinstkrediten an arme Familien in Entwicklungsländern praktizieren wir schon seit den 60er Jahren und das recht erfolgreich. Wir finanzieren Wolle und Knüpfrahmen vor, die dann abbezahlt werden«“, kommentiert der aus Rahden stammende Unternehmer Jürgen Tönsmann.

Seit 1990 ist er mit einem Teppichgeschäft in Espelkamp ansässig. Er betrachtet mit diesen Worten die Verleihung des Friedensnobelpreises 2006 an Mohammed Junus. Die Idee des Preisträgers sei so neu also nicht. Der als »Bankier der Armen« bezeichnete Ökonomieprofessor Junus aus Bangladesch gilt als Initiator der »Grameen Bank«, die den Armen der Welt Kredite bereitstellt.
»Ich bin Geschäftsmann und verdiene daran, dass die sonst in dem Gewerbe üblichen Handelsstufen entfallen, meine Kunden erhalten individuelle Stücke in traditioneller Knüpfung zu vernünftigen Preisen und die Teppichknüpfer, bei denen es sich zumeist um Analphabeten handelt, können sich ein kleines Gewerbe aufbauen und ihre Produkte ins Ausland exportieren«, sagt Tönsmann.
Der Unternehmer sieht in der direkten Vermittlung der Teppiche von der Knüpferfamilie zum Kunden ein partnerschaftliches System mit Vorteilen für alle drei Seiten. Als Importeur echter Teppiche unterhält er Einkaufsbüros in Marokko, Nepal, Indien, Iran und China. Über diese steht er in direktem Kontakt zu den Knüpferfamilien.
Wer weiß schon, dass es sich bei einem Orientteppich nicht nur um Boden- und Wandschmuck, sondern auch um ein Stück familiärer Identität handelt. Seine Ornamente zeigen die Zugehörigkeit zur Sippe, indem sie Schlüsselmomente der Familiengeschichte erzählen. In der Angebotspalette ergibt sich daraus eine ungeheure Vielfalt an Mustern, die zu erhalten Tönmanns Unternehmensphilosophie ist. Durch diese Originalität, dazu die Qualität der Handarbeit und die Umsetzung sämtlicher Kundensonderwünsche ist es Tönsmann gelungen, konkurrenzfähig zu bleiben.
Davon profitiert in erster Linie der Geschäftsmann, ermöglicht den Knüpferfamilien jedoch einen relativ hohen Lebensstandart, ohne stupide und ausbeuterische Arbeitsbedingungen in den Manufakturen. »Seine« Knüpferfamilien bekommen für ihre Teppiche Devisen und gehören infolgedessen durchweg der gehobenen Mittelschicht an. Ihre Kinder besuchen die Schule. Auf Grund jahrzehntelange enger persönlicher Beziehungen und Freundschaften zu einzelnen Familien finanziert Tönsmann schon einmal eine Ausbildung oder ein Studium.
Das sei aber eher die Ausnahme, denn generell halte er die punktuelle Förderung nicht für die geeignete Entwicklungshilfe, weil sie das Sozialgefüge der Dorfgemeinschaft zerstöre. »Almosen gebe ich nicht, sondern setze meine Aktivitäten im sozialen Bereich gezielt ein.«
Er vergleiche die Situation in den Ländern immer gerne mit der der hiesigen Landbevölkerung des 19. Jahrhunderts. »Damals herrschte hier große Armut und ganze Familien, auch die Kinder, mussten in der Leinenweberei helfen, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Aus dieser Situation wuchsen wir langsam heraus. Die selben Chancen sehe ich für die Menschen in Marokko und Nepal.«(Fortsetzung folgt)

Artikel vom 02.01.2007