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In der Silvesternacht ist viel zu tun

Betrunkene, Schlägereien, Brandwunden, Unfälle, Herzinfarkte: Retter im Einsatz

Von Manfred Köhler (Text und Fotos)
Verl (WB. Wenn in den Stuben die Sektkorken kynallen und bunte Raketenschwärme in den Nachthimmel über Verl aufsteigen, greifen Wolfgang Tegethoff (40) und Jessica Schrewe (29) zu Selters und machen sich auf der Verler Rettungswache für eine Einsatzserie bereit.

Die beiden Rettungsassistenten haben Silvester Dienst und wissen ziemlich genau, was auf sie zu kommt: »Vor allem Betrunkene, schonmal 'ne Schlägerei, ein paar Brand und Schnittwunden und Herz-Kreislauf-Probleme«, sagt der stellvertretende Wachleiter. Er spricht aus Erfahrung. Seit zehn Jahren ist der Neuenkirchener beim Verler Team und hat so manchen Jahreswechsel statt mit Freunden und Familie bei Raclette und Wein in der knallroten, rollenden Intensivstation verbracht und ist von Einsatz zu Einsatz gejagt. »Da muss die Familie zurückstecken seufzt der gelernte Holztechniker, »das sind eben die Nachteile in unserem Beruf«.
Den Beruf liebt er dennoch sehr, wie auch die 29-jährige Bad Wünnenbergerin, die schon früh bei der Feuerwehr auf den Geschmack gekommen war und sich auch von einem Rückschlag nicht entmutigen ließ: Nach ihrer Ausbildung zur Rettungsassistentin, stand sie im Kreis Paderborn erstmal auf der Straße, weil keine Frauen eingestellt wurden. Kurzerhand wurde sie Arzthelferin und als die Gemeinde Verl vor sechs Jahren die Stelle ausschrieb, griff sie zu, hatte Glück und ist nun die einzige Frau in der siebenköpfigen Mannschaft um Wachleiter Johannes Nutsch. Ihr mache es wenig aus, wenn sie an solchen Tagen Dienst habe, meint Jessica Schrewe. Aber sie hat es auch genossen, dass sie seit sechs Jahren an diesem Weihnachten erstmals wieder mit ihrer Familie feiern konnte. »Grundsätzlich aber gehen die Kollegen, die Familie haben, vor - und das ist auch gut so«, sagt sie.
Wie frustrierend der Dienstplan für die Familie werden kann, davon weiß der Verler Günter Bethge aus seiner langjährigen Zeit als Retter zu erzählen. Seit 18 Jahren ist der heute 58-jährige gelernte Drogist dabei: Schon etliche Male musste die Familie kürzer treten. Auch in diesem Jahr hat es ihn erwischt: Am Neujahrsmorgen um 8 Uhr beginnt für Günter Bethge und den Verler Sascha Wittenborg der 24-Stunden-Dienst: »Damit hat sich das Feiern erledigt.« Jessica Schrewe und Wolfgang Tegethoff, die eine heiße Nacht hinter sich haben werden, machen sich dann müde auf den Heimweg.
Von Null Uhr an werden sie nämlich in der Silvesternacht kaum Zeit für ein bisschen Ruhe, haben. »Silvester ist immer viel los«, weiß die Rettungsassistentin zu berichten. Neben Unfällen sind Alkoholvergiftungen, Schnittwunden, Herzinfarkt, Schlaganfall und Brandverletzungen die Herausforderungen der Nacht. Und das Team hofft darauf, dass die Bürger nicht lange zögern oder erst den Umweg über den Hausarzt versuchen. »Sofort die 112 anrufen!«, mahnen die Retter, »oft zählt jede Minute«. Und bloß nicht bei Brandwunden Hausmittelchen einsetzen: »Nichts draufschmieren sondern mit handwarmem Wasser kühlen! Offene Brandwunden steril abdecken.«

Artikel vom 30.12.2006