29.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Bürokratische Fußfesseln
müssen abgestreift werden«

Landwirtschaft zieht Bilanz eines »durchwachsenen Jahres«

Enger/Spenge (Re). »2006 war für uns Landwirte sehr durchwachsen«, resümiert der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes, Wilhelm Brüggemeier. Vogelgrippe und Schweinepest, eine »nervenaufreibende Ernte«, aber auch die Umsetzung der EU-Agrarreform sowie »anhaltender Bürokratismus« hätten das Jahr geprägt. Gleichzeitig sieht der Vorsitzende positive Entwicklungen. Doch hinken der guten Stimmung die Einkommen hinterher.

Die wirtschaftliche Lage habe sich nicht verbessert. Die Unternehmensergebnisse 2005/2006 gingen sogar um 2,9 Prozent je Betrieb zurück. Damit liegt das Einkommen etwa 17 Prozent unter dem gewerblichen Vergleichslohn.
Zu schaffen machte den Bauern das Wetter. Das kalte Frühjahr, die Hitze und Trockenheit im Frühsommer, anschließend der Regen im August: Die Ernte lag unter dem Durchschnitt, dazu mit regionalen Unterschieden. Als erfreulich bewertet Brüggemeier die Tendenzen auf den Weltagrarmärkten. Hier sieht er eine Zeitenwende - weg von den Überschussmärkten hin zu knappen Nahrungsmittelmärkten. Die steigende Nachfrage nach Lebensmitteln und nachwachsenden Rohstoffen würden die Märkte positiv beeinflussen. Dennoch dürfe die Zukunft nicht zu rosig gesehen werden. »Die Landwirtschaft wird sich neben energiebedingten Kostensteigerungen auf viel stärkere Preisschwankungen einstellen müssen.«
Nach wie vor ein Sorgenkind bleibt der Bereich Milch. Derzeit befinde sich der Milchsektor hinsichtlich Erlösen, Kosten sowie Reglementierung in einer Phase, in der Orientierung notwendig sei. Vieles deute auf ein Auslaufen der Milchquotenregelung im Jahr 2015 hin. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte zu erhalten, fordert der Berufsverband, dass der Zeitraum bis 2015, aber auch danach, schon jetzt gestaltet wird. Brüggemeier: »Wir brauchen rasche und definitive politische Entscheidungen. Die Milcherzeuger müssten nach 22 Jahren Quote eine mittelfristige Planungssicherheit bekommen.« Daher sei ein Ausstiegsszenarium durch die EU-Kommission und die Bundesregierung notwendig. Weiter fordert der Vorsitzende mit Blick auf die EU-Agrarpolitik: Die geplante Zwischenprüfung der Agrarreform im Jahre 2008 dürfe nicht zu einer erneuten Reform ausarten. Verlässlichkeit müsse, wie versprochen, bis 2013 gelten. Ein wichtiges Anliegen müsse sein, »bürokratische Fußfesseln abzustreifen«.
Hinsichtlich der nationalen Politik resümiert der Vorsitzende nach mehr als einem Jahr der Großen Koalition: »Die Landwirtschaft wird endlich wieder als ein wichtiger Teil der Wirtschaft gesehen.« Eine Aufgabe müss aber auch hier sein, den Bürokratieabbau durch Bundesregierung und Länderregierung stärker als bisher voranzutreiben.
Eine »große Baustelle« bleibe die Saison-Arbeitskräfte-Regelung. Das Experiment deutsche Arbeitslose anstelle von ausländischen Erntehelfern einzusetzen, scheiterte in diesem Sommer. Viele Betriebe hatten Einbußen erlitten, weil zur Ernte die Arbeitskräfte fehlten.

Artikel vom 29.12.2006