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»Traum« am Wiehen realisiert

Strukturwandel bewältigt - kräftig in neuen Wirtschaftszweig investiert

Von Wilfried Mattner
Holzhausen (WB). Ackerbau und Viehzucht - das war die wirtschaftliche Grundlage der Familie Nobbe in Holzhausen seit mehr als zwei Jahrhunderten. Doch die hier wie auch in andern Dörfern lebenden Menschen mussten sich verändernden Lebensbedingungen anpassen. Dieser Entwicklung konnte sich die Familie Nobbe nicht entziehen. Folgerichtig suchte sie im staatlich anerkannten Luftkurort Holzhausen ihre Chance im Bereich Fremdenverkehr/Tourismus und entwickelte einen Traum, den »Wie-hen-Traum«.

Der Start in die neue, unbekannte Branche geschah endgültig 1994, als Jürgen Nobbe (57) - Allroundtalent als Landwirtschaftsmeister sowie Meister im Elektro-, Gas-, Wasser- und Heizungsbauhandwerk - den elterlichen Hof von Ernst Nobbe und Frau Hilde auch als landwirtschaftlichen Nebenerwerb aufgegeben hatte. Doch schon drei Jahrzehnte früher waren der ersten Weichen in diese Richtung gestellt worden. Das damalige Kurhaus Holsing hatte bereits 1964 erstmals angefragt, ob der Hof Nobbe nicht mit Zimmern aushelfen könne. Denn der Gästeansturm war anders nicht zu bewältigen. Schnell wurde ein Doppelzimmer mit Kalt- und Warmwasserversorgung hergerichtet - zur Zufriedenheit der Gäste, die allerdings noch einen etwas weiteren Weg zur Toilette zurücklegen mussten: Das »Wasserclosett« (WC) war nämlich mangels anderer Räume im Stall hergerichtet worden. Steigende Nachfrage führte - wie im Wirtschaftsleben üblich - zu Investitionen. Und so wurde das alte Kammerfach des Hofes abgerissen; Hilde Nobbe realisierte den Neubau 1971/72 mit wasserversorgten Ein- und Zweibettzimmern, Dusche und WC waren vom Stall auf die Etage »gewandert«. Hilde Nobbe führte das Haus mit Teil- und Vollpensionsangebot, und die Gäste kamen über die Betriebe Holsing und Stork, die gar nicht genug Platz hatten, um die vielen »Kurlauber« unterbringen zu können. Und selbst im Hause Nobbe wurde so manches Zimmer zusätzlich für Gäste geräumt.
Mit der Wende besserte sich die Situation, die im Bereich Kur und Erholung durch Reformen gelitten hatte. Viele Menschen aus den neuen Ländern kamen auch nach Ostwestfalen, um hier zu arbeiten. Sie brauchten für kurze oder längere Zeit eine Unterkunft. Und diese Situation hat sich bis heute nicht geändert. Gisela Nobbe (58): »Bei uns wohnen heute Wochenendfahrer sowie Ferien- und Kurgäste. Außerdem sind wir Anlaufstelle für viele Familientreffen, für Radfahrer und Wanderer.«
Der Pensionsbetrieb wurde nach dem Tod von Hilde Nobbe im Jahr 1997 umgestaltet, das Haus vor sechs Jahren grundlegend umgebaut. Die Zimmer verschwanden, es entstanden sechs Ferienwohnungen mit Bad, Dusche, WC und Küche, sie erhielten Balkone und wurden hell und freundlich gestaltet - gerade auch mit dem Ziel, den Standort zu verbessern.
In diesem Jahr verschwand mit dem Stall ein weiteres Merkmal früherer landwirtschaftlicher Tätigkeit. Der Raum wurde so umgebaut, dass er für Betriebsfest und Familienfeiern genutzt werden kann. Auch dies geschah, wie bei vorherigen Um- und Neubauten schon, weitgehend in Eigenleistung. Nach Angaben von Jürgen Nobbe ist mittlerweile ein sechsstelliger Betrag »verbaut« worden. Um die Kosten im Zaum zu halten, bediente sich Gisela Nobbe auch modernster Technik. Sie suchte im Internet-Auktionshaus Ebay nach Stühlen - und wurde fündig: »Das war das erste Mal, dass ich dort reingeschaut habe und Erfolg hatte. Denn ich konnte 46 neue Stühle ersteigern, die ich nach meinem Geschmack neu beziehen ließ.«
Mit der Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes verschwanden auch die meisten Tiere. Zwei aber kamen 1999 wieder, als Tochter Sonja reiten lernen wollte. Seitdem fühlen sich die beiden Islandpferde Mysla (18) und Kerra (19) bei Nobbes wohl.
Auf die Holzhauser Landpartie bereitet sich die gesamt Familie vor. Dann sind alle eingespannt, wobei Nobbes in erster Linie Pferdedarbietungen als Attraktion organisieren. In diesem Jahr war das Mittelalter das beherrschende Thema, das gemeinsam mit der Hundepension Nunnenkamp, die auch Islandpferde hält, vorbereitet worden war. Die Idee dafür lieferte das Fantasiespiel »Larp« (Live aktion role play). Dahinter verbirgt sich eine Art Rollenspiel, bei dem sich die Teilnehmer ausdenken können, welche Rolle sie in einer Geschichte darstellen wollen, die dann gemeinsam gespielt wird. Der Verein, der dies organisiert, besteht in Löhne unter dem Namen »Silver Crow«; gespielt wird mehrmals im Jahr an verschiedenen Orten in der Bundesrepublik - mal mit wenig Teilnehmer, mal mit mehreren Tausend. Sohn Matthias (38) hat Mutter Gisela und Schwester Sonja für diese außergewöhnliche Freizeitbeschäftigung begeistert. Auch er ist in die »Landpartie« stark eingebunden und hilft ebenso wie Pflegesohn Carsten, den Arbeitsanfall zu bewältigen.
Das Ehepaar Nobbe ist davon überzeugt, dass es mit dem Fremdenverkehr in ihrem Holzhausen weiter aufwärts geht und der Betrieb auch in Zukunft fortgeführt wird.

Artikel vom 29.12.2006