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Von Pfauen und Kreuzdieben

Einblicke an Heiligabend: Was Polizisten in 24 Stunden erleben

Rheda-Wiedenbrück (dibo). Stille Nacht, Heilige Nacht? Für die Freunde und Helfer der für Rheda-Wiedenbrück, Rietberg, Langenberg und Herzebrock-Clarholz zuständigen Polizeihauptwache gab es auch an Heiligabend genug zu tun. Wenngleich, so der Leiter der Führungsstelle, Dirk Struckmeier, 2005 mehr losgewesen sei. Ein Blick in die von Struckmeier notierten Einsätze innerhalb von 24 Stunden zeigt nicht nur den harten Polizeialltag, sondern lässt auch schmunzeln.

Da meldet zum Beispiel ein Rietberger gegen 10 Uhr einen Pfau, der ihm auf der Bokeler Straße begegnet sei. Das Tier ist verschwunden, als die Polizisten eintreffen. »Ist es in den Süden getrampt oder gar im Kochtopf gelandet? Pfaus schmeckt wie Straußenfleisch«, weiß Struckmeier.
Gegen 13 Uhr beschwert sich der Nachbar einer Tankstelle, weil ein Mann seinen Wagen waschen lässt. Ist verboten, schließlich ist Sonntag. Um 14 Uhr wird's ernst, weil ein Unbekannter in einer Wohnung an der Oelder Straße eine Waffe zieht und von den anwesenden Männern Geld fordert. Einem gelingt die Flucht, er verständigt die Polizei. Als die eintrifft, ist der Räuber weg. Ohne Beute. Der Unbekannte war in die Wohnung gelassen worden, nachdem er »Frohe Weihnachten« gewünscht hatte.
Gegen 15.10 Uhr zertrümmern Diebe eine Vitrine an einer Kirche in Varensell und stehlen ein Metallkreuz. Glimpflich verläuft um kurz vor 15 Uhr ein Unfall in Langenberg - keine Verletzen, 4000 Euro Schaden. Eine halbe Stunde später brennt in einem Garten an der Alleestraße Geschenkpapier.
Gegen 17.15 Uhr kracht es in Herzebrock. Bei dem Frontalzusammenstoß werden zehn Menschen, darunter sechs Kinder, verletzt (wir berichteten). Gegen 18.20 Uhr nimmt die sich die Polizei zweier Kinder an, die bereits in den vergangenen Tagen Weihnachtsdekorationen an der Platzstraße in Rietberg demoliert haben und erneut »aktiv« geworden sind. Das Pärchen - ein Junge und ein Mädchen - wird den Eltern übergeben. Gegen 22.25 Uhr versucht ein Gangster, in ein Café Am Markt durch die Hintertür einzusteigen. Die Besitzerin stellt ihn zur Rede, der Mann sucht das Weite. Weihnachtsstimmung kommt bei den herbeigerufenen Polizisten auf, als aus der nahen Aegidiuskirche der Gesang der Gläubigen herüberschallt: »Stille Nacht, Heilige Nacht«...
Schön die Geste eines besorgten Mannes, der gegen 22.30 Uhr die Polizei anruft, weil die Weihnachtspäckchen vor der Tür seiner Wohnungsnachbarin seit zwei Tagen unberührt sind. Die Polizei findet heraus, dass die Frau im Krankenhaus liegt. Der nette Nachbar bringt ihr die Päckchen am 1. Weihnachtstag vorbei.
Kurz vor Mitternacht landet ein Autofahrer am Marlies-Zimmermeier-Weg im Straßengraben. Er hatte das Licht nicht eingeschaltet. Der Wagen bleibt heil - und die Polizei sieht, wie in manchen anderen Fällen, von einer Strafe ab. Es ist schließlich Weihnachten. Was einem Dieb in der Aegidius-Kirche egal zu sein scheint. Er stiehlt während der Weihnachtsmesse aus dem in der Sakristei hängenden Mantel eines aus Hamburg angereisten Messdieners Autoschlüsselbund und Handy. In ihrer Nachtruhe gestört fühlen sich Anwohner des Großen Walles durch eine Party. Gegen zwei Uhr wünscht die Polizei den Feiernden eine frohe Weihnacht und erinnert sie an das »stille Fest«. Rund 1000 Menschen feiern den Heiligen Abend in und vor einer bekannten Kneipe an der Bielefelder Straße. Ein Gast hat indes Mühe, gegen 5.30 Uhr nach Hause zu finden. Betrunken, Fahrrad weg, kein Geld für ein Taxi - die Polizei bringt den 40-Jährigen, nachdem sie ihm seine Adresse entlockt hat, nach Hause, wo er »zur Verhinderung weiteren Ärgers« ins Haus schleicht und zu Bett geht.
Aber die Beamten - insgesamt 24 im »Dreischicht-Betrieb« - haben zwischen Einsätzen und Papierkram auch noch Zeit, ein wenig Besinnlichkeit aufkommen zu lassen. Man sitzt zusammen und löffelt am späten Heiligen Abend die von einem Kollegen mitgebrachte Suppe.
Keine brennenden Weihnachtsbäume, keine häusliche Gewalt, keine Körperverletzungen (zumindest nicht am Heiligen Abend), keine Glätteunfälle - wie gesagt, es war recht ruhig. Das kann 2007 schon ganz anders sein.

Artikel vom 28.12.2006