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Bereich Milch
ist das große
Sorgenkind

Landwirte ziehen die Bilanz 2006

Stemwede/Minden-Lübbecke (Re). »2006 war für uns Landwirte sehr durchwachsen«. Diese Bilanz zieht der der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Minden-Lübbecke, Karl-Heinz Becker, zum Jahresende.

Das Auftreten der Vogelgrippe und Schweinepest, eine nervenaufreibende Ernte, aber auch die Umsetzung der EU-Agrarreform sowie der anhaltende Bürokratismus prägten das Jahr. Gleichzeitig kann der Vorsitzende zuversichtliche Entwicklungen auf den Agrarmärkten vermelden. Doch hinken hinter der guten Stimmung die Einkommen auf den Höfen hinterher. Die wirtschaftliche Lage hat sich nicht verbessert.
Die Unternehmensergebnisse 2005/2006 gingen sogar um 2,9 Prozent je Betrieb zurück. Damit liegt das Einkommen etwa 17 Prozent unter dem gewerblichen Vergleichslohn.
Zu schaffen machte den Bauern 2006 auch das Wetter. Das kalte Frühjahr, dann die außergewöhnliche Hitze und Trockenheit im Frühsommer, anschließend der Regen im August: »Die Ernte lag unter dem Durchschnitt, dazu mit großen regionalen Unterschieden«, erläutert Becker.
Als erfreulich bewertet er allerdings die Tendenzen auf den Weltagrarmärkten. Hier sieht er eine »Zeitenwende« - weg von den Überschussmärkten hin zu knappen Nahrungsmittelmärkten. Die weltweit steigende Nachfrage nach Lebensmitteln und nachwachsenden Rohstoffen (Bioenergie) würden die Agrarmärkte positiv beeinflussen.
Dennoch warnt der Vorsitzende, dürfte die Zukunft nicht zu rosig gesehen werden. »Die Landwirtschaft wird sich neben energiebedingten Kostensteigerungen auf viel stärkere Preisschwankungen einstellen müssen.«
Nach wie vor ein Sorgenkind bleibt der Bereich Milch. »Die Zukunft der Milchbauern muss sich deutlich verbessern«, betont der Vorsitzende. Derzeit befindet sich der Milchsektor hinsichtlich Erlöse, Kosten sowie gesetzliche Reglementierung in einer Phase, in der eine Orientierung notwendig ist. So deutet vieles auf ein Auslaufen der Milchquotenregelung im Jahr 2015 hin.
Um die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte zu erhalten, fordert der Berufsverband, dass der Zeitraum bis 2015, aber auch danach, schon jetzt gestaltet wird. Becker: „Wir brauchen rasche und definitive politische Entscheidungen. Die Milcherzeuger müssten nach 22 Jahren Quote eine mittelfristige Planungssicherheit bekommen.«
Daher sei ein Ausstiegsszenario durch die EU-Kommission und die Bundesregierung notwendig. Weiter fordert der Vorsitzende mit Blick auf die EU-Agrarpolitik: Die geplante Zwischenprüfung der Agrarreform im Jahre 2008, dürfe nicht zu einer erneuten Reform ausarten.
Verlässlichkeit müsse, wie versprochen, bis 2013 gelten. Dies müsse Grundsatz sein bei den Finanzen und Marktordnungen. Hinsichtlich der nationalen Politik resümiert der Vorsitzende nach mehr als einem Jahr der Großen Koalition: »Die Landwirtschaft wird endlich wieder als ein wichtiger Teil der Wirtschaft gesehen.« Eine Aufgabe muss aber auch hier sein, den Bürokratieabbau durch Bundesregierung und Länderregierung stärker als bisher voranzutreiben.
Eine große Baustelle ist weiter die Saison-Arbeitskräfte-Regelung. Das Experiment scheiterte in diesem Sommer, deutsche Arbeitslose anstelle von ausländischen Erntehelfern einzusetzen. Viele Betriebe hatten erhebliche Einbußen erlitten, weil zur Ernte die Arbeitskräfte fehlten. Becker: »2007 darf es keinesfalls eine Neuauflage geben.«
Sorgen bereiteten den Bauern 2006 außerdem das Auftreten der Vogelgrippe und Schweinepest. Die Vogelgrippe verunsicherte nicht nur die Verbraucher, sondern brachte die Geflügelhalter in eine dramatische Lage. Infolge der Stallpflicht brach ihr Absatz komplett zusammen.
Ebenso traf der Ausbruch der Schweinepest im Münsterland mit ihren Restriktionen bis in die entfernten Landesteile - wie in Ostwestfalen - die Landwirte hart. Auf internationalem Parkett kam es zum Scheitern der WTO-Verhandlungen. Der Vorsitzende bewertet dies als sehr bedauerlich. Die EU habe bei den Welthandelsgesprächen im Agrarbereich weitreichende Angebote gemacht. »Wie es jetzt weitergeht, ist nicht absehbar«, äußert Becker.
Zum Abschluss des Jahres blickt der Vorsitzende dennoch optimistisch in die Zukunft: »Gerade in der Agrarpolitik hat sich einiges zum Positiven gewandelt. Die nächsten Jahrzehnte werden nicht einfacher, aber die Wertschätzung der Landwirtschaft wird auf lange Sicht steigen.«

Artikel vom 28.12.2006