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Liebe überwindet
Zeit und Grenzen

Löhnerin findet nach 50 Jahren ihre Jugendliebe

Aus Polen berichtet Per Lütje
Mieszkowice (HK). Elvira Profé war 70 Jahre alt, als sie beschloss, alles hinter sich zu lassen und ein neues Leben zu beginnen. Sie, die lange Zeit in Löhne lebte, kehrte Deutschland den Rücken, um gemeinsam mit ihrer großen Liebe einen Neuanfang in der polnischen Kleinstadt Mieszkowice zu wagen. Das HERFORDER KREISBLATT war von dieser außergewöhnlichen Liebesgeschichte so begeistert, dass sie die beiden in ihrer Heimat besuchte.

Als die Deutsche Elvira Profé 1996 gemeinsam mit Fortek Mackiewicz in das neu erbaute Häuschen an der Königsberger Straße 23 zog, wurde das ungewöhnliche Paar von vielen Menschen im Ort kritisch beäugt. »Es gab viele Vorbehalte«, erinnert sich die heute 81-Jährige. »Ich war die erste Deutsche, die zurückgekehrt ist. Vor allem viele ältere Menschen haben nicht vergessen, was während des Krieges passiert ist.«
Doch Unterkriegen lassen ist ihre Sache nicht. Ohne ein Wort Polnisch zu beherrschen, war sie ein Jahr zuvor allein nach Danzig gereist, um sich mit Fortek zu treffen - fast ein halbes Jahrhundert nach ihrer Zwangstrennung. »Ich wollte mir beweisen, dass ich das kann«, erzählt sie.
Und sie meisterte nicht nur diese Hürde, sondern überwand auch die Mauern in den Köpfen der Kleinstadtbewohner und gehört heute zu den angesehensten Bürgern. Wie damals in Löhne - dort gründete sie 1962 die Turnabteilung des TV Obernbeck - hob sie in der örtlichen Turnhalle eine Gymnastikgruppe auf der Taufe, die sie auch heute noch betreut. Mit dem Bürgermeister des Ortes, der Elvira und Fortke im vergangenen Jahr getraut hat, ist sie in ständigem Kontakt, immer darum bestrebt, den Namen Mieszkowice in die Welt hinauszutragen.
Nur eines ist ihr noch nicht gelungen: »Ich hätte mir so gewünscht, dass das Gelände, auf der die alte Zollstockfabrik meines Vaters steht, für eine soziale Einrichtung genutzt werden kann.« Bis 1999 wurde hier noch produziert, die letzten fünf Jahre davon unter der Regie des schwedischen Konzerns Ikea. »Dann waren sie weg und mehr als 100 Leute arbeitslos. Heute ist das Holzsägewerk mit seinen 150 Beschäftigten Hauptarbeitgeber im Ort«, sagt Elvira Profé. Auch deshalb heizen viele Bürger ihre Öfen mit Brennholz, und so steigt allerorten der Geruch von verbranntem Holz in die Nase.
Auch das Haus, das der inzwischen 86-jährige Fortek zu großen Teilen selbst gebaut hat, besteht hauptsächlich aus Holz und verströmt im Innern eine angenehme Wärme. »Wir fühlen uns hier sehr wohl. Und ich möchte jetzt auch nicht mehr nach Deutschland zurück kehren.« Gleichwohl betont die 81-Jährige, dass sie sich in Löhne zum ersten Mal in ihrem Leben heimisch gefühlt habe. »Dort habe ich Wurzeln geschlagen und am gesellschaftlichen Leben teilgenommen«, sagt sie.
Ihre Mutter lebte bis 1996 in Bad Oeynhausen, ehe Elvira und Fortek sie zu sich nach Mieszkowice holten. Als sie im Alter von 98 Jahren starb, wurde sie als erste deutsche Protestantin auf dem katholischen Friedhof der Stadt beigesetzt - auch das Verdienst von Elvira Profé, die sich sehr für die Versöhnung zwischen Deutschen und Polen engagiert.
Sie selbst ging mit bestem Beispiel voran, als sie ihrem Fortek im vergangenen Jahr das Ja-Wort gab. »Wir wollten unsere wilde Ehe beenden«, sagt sie und lacht herzlich. »Aber eigentlich ist die Frau des Bürgermeisters Schuld daran, dass wir doch noch geheiratet haben. Sie hat uns ermutigt, diesen Schritt zu gehen - schließlich ist dieses Land katholisch. Und sie wollte auch unbedingt einmal wieder auf einer Hochzeit tanzen.«
Die Hochzeitsfeier am 4. November 2005 dauerte zwei ganze Tage und Nächte. Unter den Gästen waren neben dem Bürgermeister auch viele Nachbarn und Ratsmitglieder, die die einst aus Mieszkowice vertriebene Deutsche mittlerweile ganz tief in ihr Herz geschlossen haben.

Artikel vom 29.12.2006