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»Ich hätte dieses Buch nicht schreiben müssen«

Roger Willemsen liest vor 200 Besuchern im TiP

Von Wilhelm Friedemann
(Text und Foto)
Bad Oeynhausen (WB). 200 Besucher verfolgten am Mittwochabend Roger Willemsens Lesung im Theater im Park (TiP). Damit eröffnete der Autor die von Literaturfestleiter Michael Scholz initiierte Reihe »Literatur im TiP«.

Roger Willemsen erzählte von seinen Erlebnissen im zentralasiatischen Staat, die er in seinem Buch »Afghanische Reise« niederschrieb. Auf ScholzĂ• Frage nach den Vorbereitungen auf eine solche Reise, erzählte Willemsen in bildhafter Sprache von einem Hotel in Locarno, dessen letzter Gast er gewesen sei, bevor es für immer schließen sollte. Hier las er historische Reiseberichte und erfuhr, dass Afghanistan bis 1970 das fortschrittlichste islamische Land gewesen ist und kommt zu dem Schluss »Die Zukunft Afghanistans wäre im besten Sinne seine Vergangenheit«.
Charmant und trotzdem drastisch verstand es Willemsen in seinem Solovortrag, Schilderungen des grausamen Alltags in Kabul neben anrührende Erlebnisse in dieser Stadt der Gegensätzlichkeiten zu reihen. »Man wird so aufmerksam auf Kinder«, erinnerte sich Roger Willemsen, »diese haben die Gesichter von Greisen«, und er verglich sie mit verwelkten Knospen. »Gleichzeitig haben diese Kinder eine unbändige Lebensfreude und großes Interesse.«
Am Ende der Veranstaltung sprachen Scholz und Willemsen über das eng mit dem Thema Afghanistan verknüpfte Buch »Hier spricht Guantánamo«. Roger Willemsen, der Interviews mit dort Inhaftierten geführt hat, prangerte vor allem die Willkür der amerikanischen Regierung an und fasste seine Ausführungen in einem Satz zusammen: »Es geht nicht um Wahrheitsfindung.« Auch die Feigheit von deutschen Zeitschriftenredakteuren, die sich nicht mit dem unbequemen Thema befassten, verlieh er Ausdruck: »Ich hätte dieses Buch nicht schreiben müssen, wenn es jemand anderes gemacht hätte!«
Auf seiner letzten Veranstaltung in diesem Jahr freute sich Roger Willemsen ganz besonders über die Anwesenheit von Nadja Karim, der Vorsitzenden des Afghanischen Frauenvereins in Deutschland. Vor allem die Projekthilfe im Gesundheitswesen und in der Schul- und Berufsausbildung liegt dem Schirmherren des Vereins am Herzen. Ohne Aufdringlichkeit empfahl er dem Publikum, mit einer Spende ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk zu machen.

Artikel vom 22.12.2006