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Siegmund
steigt vom
Dach herab

Schornsteinfeger (60) hört auf

Von Moritz Winde (Text und Fotos)
Bad Oeynhausen-Eidinghausen  (WB). Schornsteinfeger bringen bekanntlich Glück. Bezirksschornsteinfeger Uwe Gießelmann hat jetzt quasi selbst eine Menge Fortune abbekommen. Anfang des Jahres tritt der derzeit in Bielefeld tätige Eidinghausener die Nachfolge Siegmund Stiebings an. Und fegt dann direkt vor der eigenen Haustür die Schornsteine.

»Das ist wie ein Sechser im Lotto«, sagt Uwe Gießelmann und klopft seinem Vorgänger lächelnd auf die Schulter. Siegmund Stiebing ist seit zwölf Jahren als Bezirksschornsteinfeger für den Bezirk Bad Oeynhausen IV zuständig. »Dazu gehören die beiden Stadtteile Eidinghausen und Dehme«, erklärt der 60-Jährige, zu dessen Aufgabengebiet etwa 2 800 Haushalte gehören. Der Beruf habe ihm stets Freude bereitet. »Die frische Luft, der Kontakt mit den Menschen, einfach herrlich.« Zum Jahreswechsel ist aber Schluss. Sein Knie bereitet dem Rehmer starke Schmerzen. Nur mühsam komme er noch die Dächer hoch. Unglücklich darüber, dass er aus dem Berufsleben ausscheidet, ist Siegmund Stiebing nicht. Im Gegenteil: »Ich freue mich auf die freie Zeit.«
Schließlich hat der 60-Jährige eine Menge Hobbys. »Eigentlich viel zu viele, aber es macht mir einfach alles Spaß«, sagt er und beginnt, von seinen Leidenschaften zu erzählen. Besonders in der Natur fühle sich der Angler wohl. Mit seinem Wohnwagen fahre er manches Mal hunderte Kilometer, um in idyllischer Atmosphäre vom Alltag abzuschalten. Auch für die Musik begeistert sich Siegmund Stiebing. Mehr als 45 Jahre unterstützt er an der Klarinette und am Saxophon die Weserländer-Musikanten. »Meine Frau Renate freut sich aber wohl am meisten, dass ich bald endlich mehr Zeit habe.« Ob er seinen Job vermissen wird? »Nein! Ich werde mich immer gerne zurückerinnern, aber nun beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Jetzt ist der Uwe mal an der Reihe.«
Uwe Gießelmann ist Schornsteinfeger durch und durch. Für den 41-Jährigen kommt die Pensionierung Stiebings, der bereits von Regierungspräsidentin Marianne Thomann-Stahl in den Ruhestand verabschiedet worden ist, wie gerufen. Bislang war Gießelmann in Bielefeld unterwegs. »Das sind jeden Tag 100 Kilometer Autofahrt. Nun kann ich vor die Tür treten und mit der Arbeit beginnen. Das ist ideal.« Auch seine Frau Alexandra und seine Kinder Tim (13) und Lisa (16) freuen sich, dass der Papa nun öfter zu Hause sein wird. Schornsteinfeger, das war schon immer Gießelmanns Traumberuf. »Mein Vater hat mich als Kind oft mitgenommen. Ich fand das Reinigen der Schornsteine spannend«, sagt der Eidinghausener, der nun in der Nachbarschaft mit seinem Gesellen Andreas Eickriede die Kamine kehrt und die Heizungen überprüft. »Das ist nicht mehr so anonym wie in Bielefeld, denn hier kennt mich ja jeder. Außerdem kann ich mittags zum Essen kurz zu Hause vorbeischauen. Das ist ein echter Glücksfall.«

Artikel vom 22.12.2006